Senatoren warnen Präsident Karsai. US-Kommandeure werfen Pakistan mangelnde Unterstützung vor.

Hamburg/Washington/Kabul. Robert P. Casey, demokratischer Senator von Pennsylvania, hielt es angesichts der Lage für richtig, auf diplomatische Höflichkeitsfloskeln zu verzichten. "Es wird eine Zeit kommen, da die Geduld der Amerikaner erschöpft ist", sagte der Senator dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai ins Gesicht. Und sein Kollege, Senator Sherrod Brown aus Ohio, sekundierte, die Zeit laufe zwar noch nicht nächste Woche für die Afghanen ab, "aber sie müssen jetzt Resultate vorweisen. Es ist die letzte Chance."

Jene unmissverständlichen Äußerungen, die Präsident Karsai am Sonntag den Appetit beim festlichen Abendessen mit amerikanischen Kongressmitgliedern in der US-Botschaft in Kabul verdorben haben dürften, markieren eine Wende in der Afghanistan- Politik Washingtons, die sich bereits seit einiger Zeit abgezeichnet hatte. Amerika verliert die Geduld mit dem Mann, den es einst selber auf den Schild des Präsidenten von Afghanistan gehoben hatte.

Eine Mehrheit der 51 Prozent der Amerikaner glaubt laut einer aktuellen "Washington Post/ABC News"-Umfrage inzwischen nicht mehr, dass es überhaupt die Anstrengung wert ist, in Afghanistan zu kämpfen. Die "New York Times" berichtete zudem am Wochenende aus den erbittert umkämpften Regionen im Süden, dass die dortigen US-Truppen sich von der Regierung Karsai im Stich gelassen fühlen. Die offensichtliche Korruption dieser Regierung und Karsais Bündnisse mit mutmaßlichen Kriegsverbrechern sind auch nicht dazu angetan, weitere Unterstützung für ihn zu wecken.

Doch genau diese Unterstützung fordern die amerikanischen Kommandeure vor Ort - denn der bisherige Feldzug gegen Taliban und al-Qaida verläuft nicht gut. Noch mehr Truppen als bisher würden benötigt. "Ich denke, die Lage ist ernst und verschlechtert sich", warnte US-Generalstabschef Mike Mullen im US-Sender CNN. "Die aufständischen Taliban sind stärker geworden, ausgeklügelter in ihren Taktiken."

Am Wochenende hatten die vier führenden US-Kommandeure in Afghanistan mit Barack Obamas Sondergesandtem Richard C. Holbrooke gesprochen. Sie alle vertraten die Ansicht, selbst die laufende Verstärkung um 17 000 Soldaten reiche bei Weitem nicht aus. Derzeit kämpfen rund 57 000 GIs am Hindukusch - und ihre Zahl steigt weiter. Insgesamt sind nun bald 100 000 Nato-Soldaten in Afghanistan. Angesichts der jüngsten Umfrage zum amerikanischen Afghanistan-Engagement und der stark gesunkenen Sympathiewerte für ihn selber würde es Obama schwerfallen, weitere massive Truppenverstärkungen einzuleiten.

Zumal nicht einmal klar ist, wie viele Soldaten eigentlich benötigt würden, um die gestellten Aufgaben zu erfüllen. Bei Beginn des Einsatzes im Jahre 2001 hatten Planer des US-Militärs dafür mindestens 450 000 bis 600 000 Soldaten für notwendig erachtet. Die Regierung von George W. Bush hatte diese Analysen ignoriert. Und die Lage am Hindukusch ist seitdem noch komplizierter geworden - nicht zuletzt wegen der Verwicklung Pakistans. Die vier US-Kommandeure warfen Islamabad unzureichende Unterstützung im Kampf gegen die Taliban vor, die häufig aus Pakistan heraus operieren. Ein besonders gravierendes Problem ist im Osten Afghanistans entstanden. Wie der zuständige US-Kommandeur, Generalmajor Curtis Scaparotti, Holbrooke bei dessen Visite in Bagram berichtete, weite das "Haqqani-Netzwerk" seine Macht ständig aus. Dieser paschtunische Guerillaführer und sein Sohn Sirajuddin kämpfen aufseiten der Taliban und haben offenbar enge Bindungen zu al-Qaida.