Rasmussen tritt die Nachfolge Jaap de Hoop Scheffers an. Die Türkei zweifelt an Fähigkeit des Dänen, “zum weltweiten Frieden“ beizutragen.

Hamburg. Wenn der Däne Anders Fogh Rasmussen morgen den Posten des Nato-Generalsekretärs von Jaap de Hoop Scheffer übernimmt, ist ihm eines sicher: das Misstrauen der islamischen Welt. Rasmussen war bis vor wenigen Wochen dänischer Ministerpräsident, und die dänische Zeitung "Jyllands Posten" hatte 2005 mehrere Karikaturen des Propheten Mohammed veröffentlicht. Die Zeichnungen lösten weltweit gewaltsame Proteste von Muslimen aus. Rasmussen versuchte, die Wogen zu glätten, bewies dabei aber wenig diplomatisches Geschick. So weigerte er sich, Botschafter mehrerer muslimischer Länder zu empfangen.

Der Umgang mit den Mohammed-Karikaturen wirkte lange nach. Als Rasmussen von den europäischen Nato-Mitgliedern für den Posten des Generalsekretärs vorgeschlagen wurde, stellte sich die Türkei als muslimischer Nato-Staat quer. Daraufhin verbürgte sich US-Präsident Barack Obama persönlich für Rasmussen. Der Däne war bereits von der Vorgängerregierung in Washington geschätzt worden. Auf Bitten von Präsident George W. Bush hatte Rasmussen gegen den Widerstand der Bevölkerung dänische Soldaten in den Irak und nach Afghanistan entsandt. Auf dem Nato-Jubiläumsgipfel in Straßburg und Baden-Baden lenkte der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan in letzter Minute ein. Fogh Rasmussen reiste unverzüglich in die Türkei und versprach, im neuen Amt auf die religiösen Gefühle der Muslime Rücksicht zu nehmen. Gleichwohl zweifelte Erdogan seine Fähigkeit an, als Generalsekretär "zum weltweiten Frieden beizutragen". Mit dieser Haltung steht der türkische Regierungschef im Übrigen nicht allein. Selbst Nato-Mitarbeiter in Brüssel äußern - wenngleich hinter vorgehaltener Hand - die Sorge, Rasmussens Ernennung könnte islamische Länder provozieren.

Der Däne wird viel Fingerspitzengefühl beweisen müssen, vor allem, wenn es um Afghanistan geht, wo rund 64 500 Soldaten unter Nato-Kommando stehen. Eine seiner ersten Reisen dürfte Rasmussen an den Hindukusch führen. Die Truppen der Allianz geraten zunehmend unter militärischen Druck - und in die Kritik. Im Juni wurden bei Nato-Luftangriffen Dutzende Zivilisten getötet. Um die radikalislamischen Taliban erfolgreich bekämpfen zu können, ist Rasmussen auf die Zusammenarbeit mit Afghanistans islamischen Nachbarländern Pakistan und Iran angewiesen. Doch auch dort wüteten einst Proteste gegen Dänemark wegen der Mohammed-Karikaturen. Rasmussen wird sich diplomatischer geben müssen als in seinem früheren Amt, wenn er Erfolg haben will.

Im Brüsseler Nato-Hauptquartier dürfte Rasmussen seine mehr als siebenjährige Regierungserfahrung helfen. Auf Bündnisse und Kompromisse war der Sohn eines jütländischen Bauern stets angewiesen. Als Chef der liberalen Venstre-Partei bildete er in Dänemark ab 2001 eine Minderheitsregierung mit den Konservativen, die von der rechtspopulistischen Volkspartei unterstützt wurde. Als Generalsekretär wird er deutlich weniger Entscheidungsmacht haben. Der Nato-Chef hat gegenüber den Regierungen der 28 Mitgliedstaaten eher eine dienende Funktion. Rasmussen werde sich rasch anpassen müssen, um nicht schon nach sechs Monaten frustriert zu sein, rät ein Mitarbeiter.

Dennoch hat sich der Däne vorgenommen, die 60 Jahre alte Allianz zumindest in einer Hinsicht umzukrempeln. Nach den Worten seines Sprechers James Appathurai will Rasmussen "die Nato so transparent machen wie nie zuvor". Was er genau darunter versteht, will er am kommenden Montag auf seiner Antritts-Pressekonferenz im Hauptquartier des Bündnisses in Brüssel erläutern.