Zwei Tage hat die Nato um ihren neuen Generalsekretär gerungen. Am Sonnabendnachmittag kam dann der Durchbruch – der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen wird das Amt zum 1. August als Nachfolger des Niederländers Jaap de Hoop Scheffer antreten. 27 Mitgliedstaaten des Militärbündnisses waren für den 56-Jährigen, nur die Türkei hatte massive Vorbehalte. Bilder von der Randale. Bilder von den Damen beim Gipfel. Bilder von der Europareise der Obamas. Bilder vom Gipfel in Baden-Baden.

Straßburg. Ankara verübelte Rasmussen, dass er sich im Streit um die Moham-med-Karikaturen Anfang 2006 auf die Pressefreiheit berief und auch den kurdischen Fernsehsen - der Roj TV in Kopenhagen zugelassen hat. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich deshalb zum Sprachrohr der muslimischen Welt gemacht. Rasmussen sei etwa in Afghanistan, wo die Nato rund 60.000 Soldaten im Einsatz hat, nicht vermittelbar.

Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül dagegen hatte sich nicht so deutlich gegen Rasmussen ausgesprochen. Gül leitete die türkische Delegation in Baden-Baden, Kehl und Straßburg, gab sich dann aber auch hartleibig.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich noch am Freitag deut-lich für Rasmussen ausgesprochen und gehofft, die Personalie beim Abendessen in Baden-Baden über die Bühne zu bringen. Aber die Türken blockierten. Eine Dreier-runde zwischen US-Präsident Ba-rack Obama, Gül und Rasmussen konnte das Problem ebenso wenig lösen wie das Telefonat zwischen dem italienischen Premier Silvio Berlusconi am Rheinufer von Kehl und Erdogan in Ankara. Der Jubi-läumsgipfel der Nato begann mit anderthalbstündiger Verspätung und drohte an der Personalie Rasmussen zu scheitern.

Am frühen Nachmittag setzten sich dann alle Staats- und Regierungschefs der 28 Nato-Staaten ohne Mitarbeiter zusammen, um den Konflikt zu lösen. Laut Diplomatenangaben sei es Obama schließlich gelungen, die Türkei zum Einlenken zu bewegen. Andere Kreise berichteten, es habe noch mal ein Gespräch zwischen Gül und Rasmussen gegeben. Und wieder andere wollten wissen, dass die Türkei künftig einen stellvertretenden Nato-Generalsekretär mit Schwerpunkt Nahost stellen soll.

Gegen 15.30 Uhr dann die Erlö-sung: Jaap de Hoop Scheffer präsentierte der Öffentlichkeit seinen Nachfolger. "Ich fühle mich geehrt und werde alles tun, um die in mich gesetzten Erwartungen zu erfüllen", sagte Rasmussen sehr erleichtert. Schließlich sei die Nato "die erfolgreichste Friedensbewegung der Welt". Der Däne sagte, er habe für die von der Türkei erhobenen Fragen volles Verständnis. "Ich will mich für eine gute Partnerschaft mit der islamischen Welt einsetzen. Sie ist von entscheidender Bedeutung für unsere gemeinsame Sicherheit."

Kanzlerin Merkel sah in der Ent-scheidung für Rasmussen ein Zeichen der Handlungsfähigkeit. "Zum Schluss hat doch die Kraft gesiegt, Einigkeit zu zeigen, weil die Welt vor so vielen Problemen steht, dass kein Mensch Verständnis hätte, wenn wir es nicht geschafft hätten, uns auf eine Personalie zu einigen", sagte die Kanzlerin. "Ich fahre sehr zufrieden nach Hause." Merkel war die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Sie hatte wiederholt auf die Ernennung Rasmussens gedrungen. Das Scheitern des Dänen wäre da-mit auch eine schwere Niederlage für die Kanzlerin gewesen.

In der nächsten Woche will Rasmussen nach fast acht Jahren als dänischer Ministerpräsident abtreten. Die Nachfolge soll sein rechtsliberaler Parteikollege und Namensvetter Lars Løkke Rasmussen (44) antreten. Er ist derzeit Finanzminister in der liberal-konservativen Minderheitsregierung.