US-Außenministerin besucht Ägypten und erstmals seit fast zwei Jahren den engen Verbündeten Israel. Eine Reise voller Unwägbarkeiten.

Washington. Die Gesprächsthemen zählte Hillary Clinton nach ihrem Treffen mit dem israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres mit politischer Unverbindlichkeit auf. Dort wie in den Begegnungen mit Premierminister Benjamin Netanjahu, ihrem Amtskollegen Avigdor Lieberman und dem palästinensischen Ministerpräsidenten Salam Fayyad sei es um "Ägypten und Syrien, um Friedensbemühungen, um Iran und andere regionale und globale Themen gegangen". Das klang ein wenig, als habe so ziemlich alles auf dem Sprechzettel der amerikanischen Außenministerin gestanden. Schon am Sonnabend bei ihrem Besuch des neuen ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi in Kairo hatte Clinton das undefinierbar weite Feld der Themen skizziert, als sie in einer Erklärung einen "Moment der großen Veränderung und des Übergangs der Region" würdigte.

Der Nahe Osten und ein Friedensprozess, der stockt; der Arabische Frühling, von dem niemand weiß, ob ihm ein islamistischer Herbst folgt; und die beiden Kernländer der Region, Israel und Ägypten, auf dem Drahtseil - das sind nur einige der Unwägbarkeiten von Clintons Reise. Die Außenministerin schleppt auch innenpolitischen Ballast in ihrem Gepäck mit. Ende des Monats will Mitt Romney, der republikanische Präsidentschaftskandidat, Israel besuchen und Netanjahu treffen.

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Romney, der dem Vernehmen nach anschließend Deutschland, Polen und Großbritannien bereisen wird, wirft der Obama-Regierung einen Mangel an Solidarität mit Israel vor. Insbesondere gegenüber dem Iran habe Washington zu wenig Härte demonstriert, so Romney. Dass Clinton, die seit September 2010 nicht mehr in Israel war, ausgerechnet in dieser Situation die Verbundenheit der USA zu ihrem engsten Verbündeten demonstrieren wollte und außerdem Ägypten zu stabilisieren versuchte, ist kein Zufall: Obama selbst gab am Wochenende zu, dass seine Nahostpolitik nicht aufgegangen ist. "Es ist mir nicht gelungen, den Friedensprozess im Nahen Osten so voranzubringen, wie ich es wollte", sagte der Präsident.

Unmittelbar nach seinem Amtsantritt hatte Obama den Friedensprozess zur Chefsache erklärt. Weil er für die USA Vertrauen in der muslimischen Welt zurückgewinnen wollte, forderte er Israel öffentlich auf, den Siedlungsbau in den besetzten Gebieten zu stoppen. Als Netanjahu diese einseitige Vorleistung verweigerte, sperrten sich auch die Palästinenser gegen jedes weitere Zugeständnis. Die Chefsache steckt darum seit Jahren in der Sackgasse.

Die Umwälzungen in der arabischen Welt haben weitere vermeintliche Sicherheiten beendet. Das autokratische Ägypten Husni Mubaraks war der Vernunftpartner Israels. Ob das Land, das einen einstigen Führer der Muslimbruderschaft zum Präsidenten wählte, dies bleiben wird, ist ungewiss.

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Clintons Kairo-Reise erfolgte zudem zu einem Zeitpunkt, zu dem gänzlich unklar ist, wer dort das Sagen hat. Präsident Mursi? Die Muslimbruderschaft? Der Oberste Militärrat? Die Außenministerin versuchte sich in Kairo in der diplomatischen Kunst der bestimmten Unverbindlichkeit. Sie und Mursi demonstrierten wechselseitige Freundlichkeit. Aber Amerika, das zu lange am diktatorisch regierenden Mubarak festgehalten hatte, will nicht erneut auf der falschen Seite stehen. Darum verzichtete Clinton auf Forderungen nach einem schnellen Ende der Militärherrschaft. Stattdessen rief sie zu Lösungen auf, bei denen Minderheitenrechte respektiert werden.

Damit lag Clinton in der Wortwahl dicht bei einer Bemerkung ihres weiteren ägyptischen Gesprächspartners, Feldmarschall Mohamed Hussein Tantawi. Der Vorsitzende des Militärrats ließ wissen, die Armee werde dafür sorgen, dass Ägypten "nicht fallen wird". Es gehöre "allen Ägyptern, nicht einer bestimmten Gruppe - die Streitkräfte werden dies nicht erlauben".

Auch wenn der General die Muslimbruderschaft nicht erwähnte, dürfte seine Warnung an sie und Präsident Mursi gerichtet gewesen sein. Säkulare Gruppen und die Christen in Ägypten befürchten eine schrittweise Islamisierung des Landes und die Aushebelung von Rechten etwa der Kopten. Demonstranten, die diesen Gruppierungen nahestehen, dürften auch hinter den Straßenprotesten gegen Clinton am Sonntag gestanden haben. Dabei flogen neben Tomaten auch Schuhe gegen die Wagenkolonne der Ministerin. In der arabischen Welt ist dies ein Zeichen größtmöglicher Verachtung. Die Botschaft war klar: Die Demonstranten werfen Washington vor, der Muslimbruderschaft die Steigbügel gehalten zu haben. Deshalb blieben auch Vertreter koptischer Christen einem Gespräch Clintons mit verschiedenen Bürgerrechtsgruppen fern.

Der Vorwurf an die Obama-Regierung, in der Hoffnung auf eine Demokratisierung Ägyptens den neuen Mehrheiten zu naiv zu vertrauen, wird auch in den USA laut. Der konservative Radiomoderator Rush Limbaugh beschuldigt Clinton der Kumpanei mit den Islamisten. Er enthüllte angebliche islamistische Verbindungen Clintons: Die Mutter ihrer Nahostberaterin gehöre der Muslimischen Schwesternschaft, dem femininen Anhängsel der Bruderschaft, an. Hillary Clinton, so Limbaughs verschwörerische Botschaft, ist mithin die Einflussagentin der Islamisten in Washington.