Der Rückzug bis Ende 2014 ist eine logistische Herkulesaufgabe. Die Öffnung der Ostroute über Pakistan sollte den Abzug jedoch erleichtern.

Kundus/Berlin. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) stellt sich auf einen schwierigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan ein. „Von einem Baum runterzuklettern ist komplizierter, als auf einen Baum raufzuklettern“, sagte er am Dienstag bei einem Überraschungsbesuch am Hindukusch. Zu Erleichterungen beim Abtransport von Truppen und Material dürfte aber die Öffnung der lange gesperrten Ostroute über Pakistan führen, der die Regierung in Islamabad nach US-Angaben am Dienstag zugestimmt hat. Andernfalls hätte mehr Material auf dem teueren Luftweg und durch das Zuständigkeitsgebiet der Bundeswehr im Norden transportiert werden müssen. Eine Kostenschätzung und einen Personalplan für den Abzug will de Maizière im Herbst vorlegen.

Bei der Sicherheitslage sieht de Maizière allerdings erhebliche Verbesserungen. Nach dem schlimmen Jahr 2010 mit vielen Verlusten in der Bundeswehrtruppe sei die Zahl der Angriffe und Anschläge im vergangenen Jahr um 39 Prozent zurückgegangen, sagte der Minister. In den ersten Monaten dieses Jahres habe es einen weiteren Rückgang um 31 Prozent gegeben. „Wir sind ungefähr auf dem Niveau von 2009. Das ist immer noch keine stabile Sicherheitslage, da gibt es nichts drumrumzureden, aber es ist ein großer Fortschritt“, sagte de Maizière.

+++ De Maizière zu Blitzbesuch in Afghanistan eingetroffen +++

+++ Mein Afghanistan - aus Sicht einer Entwicklungshelferin +++

Der Minister besuchte Afghanistan zum siebten Mal seit seinem Amtsantritt vor 16 Monaten. In den Feldlagern von Kundus und Masar-i-Scharif sprach er mit deutschen Soldaten. Die Bundeswehr bereitet sich seit Anfang des Jahres auf den Rückzug vom Hindukusch vor. Die Truppenstärke wurde bereits von einst bis zu 5350 auf rund 4800 Soldaten reduziert. Der Abbau des Feldlagers in Feisabad – eines von drei großen Bundeswehr-Camps – hat bereits begonnen. Bis Ende 2014 muss die Bundeswehr bis zu 1700 Fahrzeuge und 6000 Container aus Afghanistan abtransportieren.

De Maizière betonte, dass nicht das komplette Material abtransportiert werden müsse. „Wir wollen hier aber auch keinen Schrotthügel hinterlassen.“ Die Bundeswehr hat nur sehr begrenzte Transport-Kapazitäten. Für den Luftweg hat sie Zugriff auf Transportflieger der Typen Antonow und Iljuschin aus russischer Produktion. Auf dem Landweg werden hohe Transitgebühren fällig, die teilweise bar auf die Hand bezahlt werden müssen. In Pakistan sollen sie nach Angaben aus der Bundeswehr zwischen 300 und 5000 US-Dollar pro Container betragen.

Die Einwilligung der pakistanischen Regierung, die im vergangenen November wegen eines US-Luftangriffs auf einen pakistanischen Grenzposten geschlossene Ostroute wieder zu öffnen, erleichtert den Nato-Truppen den Abzug vom Hindukusch. „Dies wird den USA und der (Afghanistan-Schutztruppe) Isaf auch helfen, den geplanten Abzug zu weit geringeren Kosten durchzuführen“, sagte US-Außenministerin Hillary Clinton am Dienstag in Washington. Zuvor hatte sie sich in einem Telefongespräch mit ihrem pakistanischen Kollegen Hina Rabbani Khar für den Luftangriff entschuldigt.

De Maizière betonte bei seinem Besuch auch, dass weitere Bemühungen um eine politische Lösung des Afghanistan-Konflikts nötig seien. Für Versöhnungsgespräche mit den Taliban sieht er allerdings gewisse Grenzen. „Man kann nicht mit jedem Mörder verhandeln“, sagte er.

Die Reise, an der auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) teilnahm, fand vor einer wichtigen Weichenstellung für die Zukunft Afghanistans nach dem Ende des internationalen Kampfeinsatzes in zweieinhalb Jahren statt. Am kommenden Wochenende wird es bei einer großen Konferenz in Tokio um die zivile Hilfe für das gebeutelte Land gehen. Deutschland will zunächst weiterhin mehr als 400 Millionen Euro jährlich für Wiederaufbau und Entwicklung bereitstellen.

Mit Material von dpa