Die Welt ist empört. Nachdem Demonstrantinnen nackt durch Kairo getrieben wurden, bemüht sich der Militärrat um Schadensbegrenzung.

Kairo. Die Bilder von Soldaten, die Demonstrantinnen verprügeln und sie halbnackt durch die Straßen Kairos treiben, haben in Ägypten einen Aufschrei der Empörung ausgelöst. Am Dienstag demonstrierten rund 10 000 Frauen gegen die Gewalt seitens der Sicherheitskräfte. Die Gruppe zog, geschützt von einem Kordon männlicher Begleiter, vom zentralen Tahrir-Platz durch die Innenstadt. Die Demonstrantinnen zeigten das Foto einer jungen Frau, der Soldaten während der Proteste der vergangenen Tage die Kleider vom Leib gerissen und sie zu Boden geworfen hatten. "Tantawi zieht eure Frauen aus - schließt euch uns an", skandierten die Demonstrantinnen in Bezug auf den Vorsitzenden des regierenden Militärrats, Feldmarschall Hussein Tantawi. "Die Töchter Ägyptens stehen an der roten Linie."

Noch bevor der Protestmarsch endete, veröffentlichte der Militärrat eine Erklärung, in der er sich in ungewöhnlich deutlichen Worten für die "Entehrung" von Frauen entschuldigte. Bislang hatten die Generäle Vorwürfe über Gewalt gegen Frauen stets zurückgewiesen.

"Der Oberste Rat der Streitkräfte bietet den großen Frauen Ägyptens sein tiefes Bedauern wegen der Übergriffe, die sich während der jüngsten Protestaktionen vor dem Parlament und Regierungskabinett ereignet haben", zitierte der Sender al-Arabija dann in der Nacht zum Mittwoch aus einer vom Militärrat verbreiteten Erklärung. Zugleich sprach der Militärrat den "großartigen Frauen Ägyptens" sein "tiefes Bedauern" aus und betonte den "Respekt und die Wertschätzung" für Frauen und deren Recht auf politische Meinungsäußerung. Die Generäle kündigten ein hartes juristisches Vorgehen gegen die Verantwortlichen an.

+++Demonstranten getrieben von Hass auf Polizei+++

Offenbar fürchtet der Militärrat angesichts der dramatischen Bilder, auf denen Soldaten auf verschleierte Demonstrantinnen einprügeln und sie entkleiden, um sein Image im In- und Ausland. Zuvor hatte US-Außenministerin Hillary Clinton die Gewalt gegen Frauen in Ägypten aufs Schärfste verurteilt. "Die systematische Entwürdigung der ägyptischen Frauen entehrt die Revolution, den Staat und das Militär - sie ist eines großen Volkes unwürdig", sagte die Außenministerin. Während der Regierungszeit des gestürzten Präsidenten Husni Mubarak war der Polizei immer wieder vorgeworfen worden, gezielt Frauen zu demütigen, um die Proteste niederzuschlagen. Dass nun aber offenbar auch Soldaten Frauen misshandelt haben, kratzt am Image der grundsätzlich hoch respektierten Streitkräfte in Ägypten. Aufnahmen von Soldaten, die vollverschleierte Frauen durch die Straßen treiben, mit Stöcken schlagen und an den Haaren ziehen, brachte zudem konservative und tiefreligiöse Gesellschaftsgruppen gegen das Militär auf.

Zahlreiche Demonstranten werfen den Streitkräften vor, gezielt Frauen anzugreifen, um auch den Protestwillen ihrer männlichen Angehörigen zu brechen, die sich gegen die Militärführung richtet, die nach dem Sturz von Husni Mubarak im Februar die Macht übernommen hat. Auch fordern die Demonstranten die Ablösung von dem Ministerpräsidenten Kamal al-Gansuri sowie einen raschen Wechsel zu einer Zivilregierung. Bei den neuerlichen gewalttätigen Unruhen und Straßenschlachten seit Freitag sind nach offizieller Darstellung zwölf Menschen ums Leben gekommen. Aktivisten sprechen jedoch von 13 bis 16 Toten. Nach Informationen lokaler Medien hat die Staatsanwaltschaft festgestellt, dass 25 der insgesamt mehr als 700 Verletzten, die nach den Ausschreitungen der vergangenen Tage medizinisch behandelt worden waren, Schussverletzungen hatten.

Zuvor hatte der Militärrat behauptet, die Demonstrantinnen seien Frauen ohne Moral. Im März wollten Soldaten weibliche Häftlinge zu einem sogenannten Jungfräulichkeitstest zwingen. "Sie wollen den Willen der Frauen brechen. Sie wollen sie entehren, damit sie nicht zu den Protesten gehen", sagt die Ingenieurin Maha Abdel Nasser. Die Schwestern Jomna und Tasneem Schams waren bislang nie zu den Demonstrationen gegangen, weil ihre Eltern es verboten hatten. Jetzt waren sie jedoch zufällig in der Innenstadt und schlossen sich dem Protestzug spontan an. "Niemand sollte für seine Meinung geschlagen werden", sagte die 19-jährige Jomna.

Die Entschuldigung des Militärrats und die zugesagte Bestrafung traf unter den Demonstranten auf Zweifel. "Das ist die Entschuldigung gegenüber einer Frau - Hillary Clinton", sagte die 31-jährige Sahar Abdel Mohsen in Bezug auf die harschen Worte aus Washington. "Das ist, als ob jemand ein Mädchen vergewaltigt, es auf der Polizeiwache heiratet, um der Strafverfolgung zu entgehen, und sich dann wieder von ihm scheiden lässt."