Bei der Offensive handele es sich um eine Rekation auf die PKK-Angriffe mit 24 Toten. Ministerpräsident Erdogan demonstriert Entschlossenheit.

Ankara. Türkische Streitkräfte sind am Mittwoch als Reaktion auf die tödlichen Angriffe kurdischer Rebellen im Grenzgebiet zum Irak in das Nachbarland einmaschiert. Die Soldaten, die die flüchtenden Angreifer verfolgten, wurden mit Flugzeugen und Kampfhubschraubern aus der Luft unterstützt. Auslöser waren die Überfälle kurdischer Kämpfer wenige Stunden zuvor, bei denen 24 türkische Soldaten getötet und 18 weitere verletzt wurden.

Es waren die tödlichsten Attacken der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) auf das türkische Militär seit 1992. Der Angriff erfolgte koordiniert und zeitgleich auf mehreren Positionen nahe der Städte Çukurca und Yüksekova. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wartete nicht lange mit einer eaktion und erklärte auf einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz, man habe bereits eine Operation eingeleitet, in deren Rahmen die Angreifer verfolgt würden.

Erdogan, der eine geplante Reise nach Kasachstan absagte, erklärte, man werde sich niemals einem Angriff von innerhalb oder außerhalb der Türkei beugen. Staatspräsident Abdullah Gül stand seinem Ministerpräsidenten in nichts nach und kündigte massive Vergeltung an. Er warnte vor Journalisten, dass niemand vergessen solle, dass diejenigen, die diesen Schmerz verursachten, bald noch schwerer leider würden. Auch die Bundesregierung äußerte sich „bestürzt und erschüttert“ über den Angriff der auch von der EU als Terrorgruppe eingestuften PKK.

Luftangriffe und Marschbefehl für Bodentruppen

Zusätzlich zu den Bombenangriffen auf PKK-Lager im Irak wurden Truppen in Marsch gesetzt. 21 PKK-Kämpfer sollen Medienberichten zufolge bei den türkischen Vergeltungsschlägen getötet worden sein. Die jüngste Gewalt bedeutet einen schweren Rückschlag für den Friedensprozess zwischen Kurden und Türken.

Angehörige der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK griffen am frühen Mittwochmorgen mit automatischen Waffen eine Armeeunterkunft in der Stadt Cukurca an. Wachleute erwiderten das Feuer. Bei dem halbstündigen Gefecht wurden zudem 22 Soldaten verwundet. Anschließend flohen die Angreifer. Sie wurden von Sicherheitskräften verfolgt, meldete der türkische Nachrichtensender NTV. In ersten Berichten war zunächst von 26 Toten die Rede.

Insgesamt griffen PKK-Kämpfer laut NTV acht Ziele in der Grenzprovinz Hakkari an. Die PKK bestätigte den türkischen Vergeltungsschlag: Bei dem Angriff auf einen Stützpunkt der PKK in der Provinz Dohuk „im Grenzdreieck zwischen dem Irak, der Türkei und dem Iran“ habe es auf beiden Seiten Todesopfer gegeben, sagte ein PKK-Sprecher der irakischen Nachrichtenagentur Sumeria News.

Insgesamt seien 21 kurdische Rebellen getötet worden, berichtete der Fernsehsender CNNTurk. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür nicht. Es war der folgenschwerste PKK-Angriff seit März 1999. Damals starben 13 Menschen bei einem Angriff auf ein Istanbuler Einkaufszentrum. Die Region wurde in den vergangenen Monaten vermehrt zum Ziel von PKK-Angriffen. Am Dienstag starben fünf Polizisten und drei Zivilisten bei einer Explosion in der Provinz Bitlis.

Gül schwört Vergeltung

Das türkische Parlament hatte Anfang Oktober das Mandat der Regierung zur Bekämpfung der PKK im Nordirak verlängert. Die Armeeunterkunft Cukurca liegt nahe der irakischen Grenze. Es wurde daher vermutet, dass die Kämpfer aus dem Nordirak kamen. Die PKK unterhält dort mehrere Militärlager. Türkische Kampfflugzeuge hoben laut NTV ab, um PKK-Ziele im Nordirak zu bombardieren. PKK-Stellungen in den Kandil-Bergen und nahe der Stadt Zap seien unter den Zielen.

Türkischen Medienberichten zufolge hätten zudem türkische Stoßtrupps von etwa 600 Soldaten die Grenze zum Irak überquert. Die Angaben wurden von der Armee zunächst nicht bestätigt. 2008 hatten türkische Streitkräfte eine Bodenoffensive mit rund 10 000 Soldaten im Nordirak gestartet. Die Armee war einmarschiert, um mutmaßliche PKK-Lager aufzuspüren und zu zerstören.

Präsident Abdullah Gül schwor Vergeltung für den jüngsten Angriff. Die Türkei werde vom Terrorismus nicht erschüttert werden, sagte er vor Reportern. Auch Erdogan sagte dem Terror den Kampf an: „Wir werden nicht zurückweichen. Wir werden den Terrorismus und jeden bekämpfen, der ihn unterstützt – verdeckt oder offen.“

Bundesaußenminister Guido Westerwelle äußerte sich in Berlin „bestürzt und erschüttert“ über den Angriff der PKK. Zugleich appellierte er an die Türkei und den Irak, gemeinsam mit der kurdischen Regionalregierung nach Lösungen für den Kurdenkonflikt zu suchen. Terrorgruppen wie die PKK dürften in der türkisch-irakischen Grenzregion kein Rückzugsgebiet haben. Auch die kurdische Partei für Frieden und Demokratie BDP kritisierte den PKK-Angriff mit ungewohnter Schärfe. „Diese Angriffe brechen uns das Herz. Wir sagen: Stopp! Es hat schon genug Tote gegeben“, hieß es in einer Aussendung.

Die PKK wird von der Türkei, der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft. Sie kämpft seit Anfang der 1980er Jahre für Unabhängigkeit oder größere Autonomie der Kurdengebiete in der Türkei. Kurdische Organisationen beklagen eine systematische Diskriminierung ihrer Volksgruppe durch den türkischen Staat. Etwa 45 000 Menschen haben in dem Konflikt ihr Leben verloren. Mit Material von dpa und dapd