Bei der dänischen Parlamentswahl könnten die Wähler heute den europafeindlichen Kurs ihres Landes beenden

Kopenhagen. Groß war der Ärger in Deutschland und der EU über Dänemarks Alleingang zur Wiedereinführung der Grenzkontrollen. Treibende Kraft dahinter war die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (DF), die wohl einflussreichste rechtspopulistische Partei Europas. Doch bei der Parlamentswahl am heutigen Donnerstag werden die Wähler der strikten Ausländerpolitik der amtierenden rechtsliberalen Regierung unter Duldung der DF wohl die Rote Karte zeigen. Denn letzten Umfragen zufolge wird der starke Wählerzustrom bei den Parteien, die für eine liberale Ausländerpolitik eintreten, einen Machtwechsel herbeiführen. Das Analyse-Institut Megafon prognostiziert der linksliberalen Radikale Venstre (RV) eine Verdoppelung ihres Stimmenanteils auf knapp zwölf Prozent. Der Einheitsliste, die im Parlament am weitesten links steht, wird 7,4 Prozent vorhergesagt - nach 2,2 Prozent bei der Wahl im Jahr 2007.

"Unsere Forderung ist eine neue Ausländerpolitik" - dieser viel zitierte Ausspruch der RV-Vorsitzenden Margrethe Vestager gilt vor allem für ihre Partei und die Einheitsliste. Die beiden kleinen, aber kräftig gewachsenen Parteien sind die Einzigen, die die restriktive dänische Einwanderungspolitik abschwächen wollen.

Die DF hat die beiden Koalitionsparteien vor allem im Ausländerrecht häufig vor sich hergetrieben und in anderen Politikbereichen nur zugestimmt, wenn im Gegenzug das Ausländerrecht verschärft wurde. Mittlerweile ist das dänische Asyl- und Einwanderungsrecht eines der schärfsten in Europa. Suchten 2001 noch 13 000 Menschen in Dänemark Zuflucht, waren es im vergangenen Jahr nur noch 5000. Peter Skaarup, stellvertretender Parteichef der DF, sieht das durchaus positiv: "In den vergangenen zehn Jahren war es uns möglich, die Einwanderungsgesetze zu verschärfen, und nun bekommen wir mehr Menschen, die herkommen, um zu arbeiten oder zu studieren. Wir haben immer noch viel Arbeit vor uns." Mustafa Gezen, Sprecher des dänischen Rats der Muslime, sieht das naturgemäß anders. "In den vergangenen zehn Jahren haben sie die Debatte polarisiert, weil sie sich so sehr auf Muslime konzentriert haben", sagt er. Damit seien 200 000 der rund 5,6 Millionen Menschen in Dänemark ungerechtfertigt ins Rampenlicht gerückt worden.

Allerdings spielte das Ausländerrecht im Wahlkampf nur eine untergeordnete Rolle. Hauptthema war die Frage, wie die schwächelnde Wirtschaft in der europäischen Schuldenkrise wieder auf die Beine kommen kann.

Eine Alternative zur Regierung könnten die Sozialdemokraten und die Sozialistische Volkspartei (SF) sein. Den Sozialdemokraten werden aktuell 22 Prozent vorhergesagt, der Linkspartei elf Prozent. Mithilfe von RV und Einheitsliste könnten sie dennoch an die Macht kommen. Gemeinsam werden den vier Parteien 92 der 175 Mandate vorhergesagt.

Venstre, die derzeit mit Lars Løkke Rasmussen den Regierungschef stellt, kann mit 23 Prozent und 41 Mandaten rechnen und bliebe damit zwei Abgeordnete vor den Sozialdemokraten stärkste Fraktion. Eine Neuauflage der Koalition ist nahezu ausgeschlossen. Der Parteichef der Konservativen, Lars Barfoed, hat deutlich gemacht, dass er vor allem in der Ausländerpolitik nicht länger Geisel der DF sein möchte. Er will sich deswegen an keiner Regierung beteiligen, die von den Rechtspopulisten abhängig ist.

Wenn die Sozialdemokraten künftig den Posten des Ministerpräsidenten besetzen, dann wird mit Helle Thorning-Schmidt erstmals in der Geschichte des Landes eine Frau an der Spitze der Regierung stehen. Die 44 Jahre alte Politologin hat rasant Karriere gemacht. 1999 zog sie in das EU-Parlament ein, wenige Jahre später dann ins nationale. Thorning-Schmidt hat in Brügge studiert, wo sie ihren heutigen Mann Stephen Kinnock kennenlernte. Auf der internationalen Bühne dürfte sie ein besseres Bild abgeben als Amtsinhaber Rasmussen. Ein Regierungswechsel in Dänemark könnte auch dem Image des Landes guttun. Sollte die Opposition ihre Ankündigung, die Grenzkontrollen wieder abzuschaffen, umsetzen, könnte Dänemark schon bald wieder positive Schlagzeilen machen.