In Skandinavien wenden sich die Wähler offenbar wieder von den Populisten ab.

Die genaue Bedeutung des Wortes Skandinavien liegt im Dunkeln, vermutlich lautet sie jedoch "gefährliche Insel". Vor Urzeiten bezog sich dies wohl auf tückische Meeresströmungen an schwedischen Gestaden, doch in den vergangenen Jahren wäre auch eine politische Auslegung dieser Risikowarnung denkbar gewesen.

Da schwollen plötzlich in Finnland, Schweden, Norwegen oder Dänemark Gruppierungen zu nationaler Bedeutung an, deren Ideologie in manchen Fällen bedenklich zum Rassismus und Rechtsextremismus hin ausfranste. Da machten die "wahren Finnen" bereits im Parteinamen deutlich, was sie von allen anderen hielten, da igelte sich Dänemark ein und türmte allerlei wissensbedingte Einwanderungshürden für hoffnungsvolle Immigranten auf, die selbst viele Dänen kaum überwinden könnten.

Im restlichen Europa fragten sich viele Menschen beklommen, wie diese Blase an Fremdenfeindlichkeit mit der toleranten, friedvollen Hochzivilisation der nordischen Staaten zusammenpasste. Doch genau darum ging es: Rechtspopulistische Parteien instrumentalisierten geschickt die Angst der Skandinavier, die eigene Kultur könne unter dem Massenansturm namentlich muslimischer Immigranten begraben werden.

Die teilweise militante islamische Parallelgesellschaft, die etwa im Malmöer Stadtteil Rosengard entstanden ist, wirkte auf manchen besorgten Nordländer wie ein Fanal für eine kulturelle Apokalypse. Bezeichnenderweise tauchte die berühmte Vision des "Volksheims" - Ikone schwedischen Staatsverständnisses und Metapher für eine fürsorgliche, auf sozialer Gerechtigkeit aufgebaute Wohlstandsgesellschaft - zuerst in rechtskonservativen Kreisen auf, bevor sie zum Inbegriff des sozialdemokratisch organisierten Staates mutierte.

Dass dieses oft romantisierte skandinavische Erfolgsmodell keineswegs durch Immigranten, sondern vielmehr durch die ökonomischen Fliehkräfte einer globalisierten Welt bedroht wurde, wollten viele Menschen im hohen Norden zunächst nicht begreifen. Sie wählten rechts; in der Hoffnung, so eine wohlige Vergangenheit in die Zukunft hinüberretten zu können.

Doch inzwischen zeichnet sich eine neue politische Verlagerung ab. In Norwegen stürzte die rechtspopulistische Fortschrittspartei ab, in Dänemark könnte morgen eine Sozialdemokratin an die Macht kommen. Dass die Norweger vor der Freiheitspartei auch deswegen zurückprallen, weil der Massenmörder von Utøya, Anders Breivik, ihr einst angehörte, ist zunächst eine norwegische Besonderheit, hat aber Wirkung weit über Norwegens Grenzen hinaus.

Es dämmert den Menschen, dass die Rechtspopulisten außer Fremdenhass und den geplanten Einschränkungen der Bürgerrechte wenig zu bieten haben - schon gar keine Lösung für die akute Wirtschaftskrise.

Denn deren Auswirkungen werden mit Recht als sehr viel bedrohlicher empfunden als eine Handvoll militanter Wirrköpfe in Rosengard. Hinzu kommt die bittere Erkenntnis, dass der entsetzlichste Terroranschlag in der Geschichte Norwegens ausgerechnet von einem rechtsextremen blonden Superpatrioten verübt wurde.

Die Auseinandersetzung um mehr oder minder gescheiterte Integration geht weiter und ist auch dringend notwendig. Seltsamerweise weisen gerade besonders offene und tolerante Gesellschaften wie die Skandinaviens oder der Niederlande einen soliden Bodensatz an Rechtswählern auf. Und gerade in Zeiten der Krise sind überraschende Schwankungen im Wählerverhalten nicht auszuschließen. Doch eine große Zahl von Menschen wendet sich offenbar enttäuscht von rechtspopulistischen Demagogen ab und sucht nun wieder verstärkt die Hilfe profilierter Politiker im konservativen und sozialdemokratischen Lager.