Die libyschen Rebellen melden neue Erfolge. Gaddafi plant angeblich die Flucht. Hilfsorganisationen wollen Ausländer aus Tripolis retten.

Bengasi /Brüssel/Neapel. Ein weiterer enger Vertrauter des libyschen Staatschefs Muammar al Gaddafi hat sich nach Angaben der Aufständischen ins Ausland abgesetzt. Der frühere Ministerpräsident Abdel Salam Dschallud habe sich von Gaddafis Regime losgesagt und sei auf dem Weg nach Europa, sagte Rebellensprecher Mahmud Schammam am Freitag. Auf Facebook-Seiten der Aufständischen waren Bilder Dschalluds in der westlibyschen Stadt Sintan zu sehen. Die frühere Nummer zwei des Regimes hatte Gaddafi bei dessen Putsch 1969 maßgeblich unterstützt. Zwei Jahrzehnte lang war er der engste Vertraute des Staatschefs, bis beide sich in den 90er Jahren zerstritten.

Die libyschen Rebellen sind nach ihren jüngsten Erfolgen überzeugt, dass die Tage des Machthabers Muammar al-Gaddafi in Tripolis gezählt sind. Die Medien der Aufständischen berichteten am Freitag, in der Küstenstadt Al-Brega hätten ihre Kämpfer einen General Gaddafis festgenommen. Dank der militärischen Karten, die er bei sich getragen habe, wüssten sie jetzt, wo im östlichen Frontabschnitt Minen verlegt seien.

Die Nato bombardierte am Freitag nach eigenen Angaben eine Kommandozentrale in der libyschen Hauptstadt Tripolis. „Wir wissen von Berichten, die darauf hinweisen, dass das Gebäude das Haus von Abdullah Senussi war“, sagte ein Sprecher des Bündnisses in Neapel. Senussi ist Geheimdienstchef und ein Schwager von Machthaber Muammar al-Gaddafi. Ob es bei dem Angriff auf das Gebäude Opfer gegeben habe, konnte der Sprecher nicht sagen. Er korrigierte damit eigene Angaben vom Abend, nach denen Senussi bei dem Luftangriff getötet wurde.

Gaddafi soll nach Informationen des US-Fernsehsenders NBC erwägen, ins Exil nach Tunesien zu gehen. Offenbar denke Gaddafi, dass ihm das nordafrikanische Nachbarland eine sichere Zuflucht bieten werde, berichtete NBC am Mittwochabend (Ortszeit) unter Berufung auf Beamte der US-Regierung. Zuvor waren Berichte gestreut worden, nach denen Gaddafi nach Südafrika oder in andere Länder fliehen wolle.

Den Aufständischen zufolge setzen sich nach der Eroberung der Stadt Al-Sawija durch die Rebellen Zivilisten aus Tripolis nach Al-Sawija ab. Al-Sawija liegt rund 40 Kilometer westlich der Hauptstadt.

Ein Nato-Sprecher sagte am Freitag, dass am Mittwoch ein Boot unweit der Küste vor Al-Sawija von Nato-Kampfjets getroffen und versenkt wurde. Wenig später seien drei Menschen im Wasser gesehen worden, die sich zu einer Boje retteten. Von dem Boot sei eine Gefahr für Zivilisten ausgegangen, sagte der Sprecher. Dies deutet darauf hin, dass Gaddafi-Truppen auf dem Boot waren.

Die den UN nahestehende Hilfsorganisation IOM kündigte in Genf an, sie wolle in den kommenden Tagen Tausende Menschen aus Tripolis in Sicherheit bringen. Dort warten Ägypter und andere Ausländer auf ihre Ausreise. Die Straße zur tunesischen Grenze, über die bereits 10 000 Ausländer geflüchtet sind, ist wegen der Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen derzeit unsicher. Die Evakuierung müsse daher in einem kurzen Zeitfenster vermutlich über dem Seeweg geschehen. Rund 600 000 Ausländer, von ihnen viele Gastarbeiter aus Schwarzafrika, sollen das Land bereits verlassen haben.. (dapd/dpa/abendblatt.de)