Der zurückgetretene Leiter des Internationalen Währungsfonds (IWF) muss sich in den USA wegen des Vorwurfs der versuchten Vergewaltigung verantworten. Er war aber am Freitag überraschend aus dem Hausarrest entlassen worden

New York/Paris. Der frühere sozialistische Kulturminister Jack Lang hat den in den USA aus dem Hausarrest entlassenen früheren IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn zur Rückkehr nach Frankreich aufgefordert, um sich für die Präsidentschaftswahl 2012 zu bewerben. „Er wäre ein guter Kandidat“, sagte Lang am Sonnabend.

Der zurückgetretene Leiter des Internationalen Währungsfonds (IWF) muss sich in den USA wegen des Vorwurfs der versuchten Vergewaltigung verantworten. Er war aber am Freitag überraschend aus dem Hausarrest entlassen worden, weil erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des mutmaßlichen Opfers aufgetaucht waren. Jack Lang sagte, er habe mit Strauss-Kahns Ehefrau Anne Sinclair gesprochen, um das Paar moralisch zu unterstützen. Sie sei glücklich, dass er aus dem Hausarrest in den USA entlassen worden sei. (dapd)

Kommentare nationaler und internationaler Medien

„La Repubblica“ (Italien): „Ein furchtbares Unrecht ist geschehen unter dem Himmel von Manhattan. Doch von wem und gegen wen? Ob es nun Schuld ohne Sühne oder Sühne ohne Schuld sein mag, der Fall der „Vergewaltigung von Ophelia“ bleibt eine Tragödie, die erst einen großen Mann zerstört hat und nun eine kleine Frau zerstören wird. Auch nach dem Eingeständnis der Anklage, einer unglaubwürdigen Zeugin geglaubt zu haben, bleibt der Fall Strauss-Kahn gegen das Zimmermädchen Ophelia ein Rätsel – bleibt das Enigma des Aussage gegen Aussage bestehen.“

„The Times“ (England): „Anscheinend kann der 62-jährige Politiker jetzt nach Frankreich zurückkehren, um als führender Kandidat für die Vorwahl der Sozialisten Präsident Nicolas Sarkozy erneut herauszufordern. Noch vor zehn Jahren wäre er in einem Triumphmarsch heimgekehrt und hätte Millionen Franzosen auf seiner Seite gehabt, die in einer Atmosphäre der Opposition gegen alles Amerikanische aufgewachsen sind. Doch die Zeiten haben sich geändert. Heute fragen sich die Franzosen, ob das Privatleben ihrer Politiker nicht doch als Faktor ihres politischen Standings berücksichtigt werden sollte. Die Tragödie der Strauss-Kahn Affäre ist, dass weder der IWF noch seine sozialistische Partei von seinem beträchtlichen Sachverstand in Finanzfragen und seiner pragmatischen Einstellung zur Politik profitieren können. “

„Le Figaro“ (Frankreich): „Gewiss bleibt der Machismo eine Realität unserer Gesellschaft, und es stimmt auch, dass die Mächtigen gelegentlich ein Gefühl von Straffreiheit haben. Doch jetzt ist die amerikanische Justiz zu kritisieren. Sie wurde schon wegen ihres spektakulären und erniedrigenden Umgangs mit Menschen angeprangert, und jetzt kann man Empörung ja sogar Ekel empfinden. Wie kann man einen Menschen auf der Grundlage einer einzigen ungewissen Aussage dem Urteil der Öffentlichkeit ausliefern? Die Auswirkungen dieser Justiz sind verheerend. Justizermittlungen in Frankreich sind zwar nicht so brutal, wirken jedoch wegen ihrer langen Dauer ähnlich zerstörerisch. Man sollte zwar nicht vergleichen, aber in den USA kann die Höllenmaschine wenigstens schneller gestoppt werden.“

„Süddeutsche Zeitung“ (München): „Nun stellt sich heraus, dass die Belastungszeugin – das angeblich attackierte Zimmermädchen -, die Staatsanwälte angelogen hat und über Verbindungen ins kriminelle Milieu verfügt. Damit taugt sie als Zeugin nicht mehr. Die Anklage ist zusammengebrochen, Strauss-Kahns Freispruch nur noch eine Frage der Zeit. Eine Politikerkarriere wurde so grundlos fast zerstört – eine fatale Bilanz.“

„Die Welt“ (Berlin): „Die Wende im Fall Strauss-Kahn gibt zu denken. Dem strengen amerikanischen Gesetz und einer noch strengeren Öffentlichkeit geschuldet, geriet der IWF-Banker und französische Spitzenpolitiker mit atemberaubender Geschwindigkeit in die Rolle des Schuldigen, noch bevor überhaupt der Prozess wegen versuchter Vergewaltigung eines Zimmermädchens eröffnet wurde. Zugleich war doch merkwürdig und bemerkenswert, mit welcher Nonchalance die französische Elite, von der Gesellschaft gestützt, ein solch verwerfliches Vergehen als 'Kavaliersdelikt' abtun wollte. Wenn aber die Staatsanwaltschaft nicht mehr von der Glaubwürdigkeit der Zeugin überzeugt ist, platzt die gesamte Anklage, eine Sensation. Was auch immer geschehen ist: Dominique Strauss-Kahn, der mächtige frühere Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), stürzte ins Bodenlose, und es gab nicht wenige, die diese Entmachtung eines im wahrsten Sinne des Wortes omnipotenten Mannes goutierten.

„Frankfurter Allgemeine Zeitung“: „Strauss-Kahn hatte kurze Zeit vor der New Yorker Affäre, damals noch Favorit der Vorwahlen für den sozialistischen Präsidentschaftskandidaten, darüber räsoniert, dass man ihm möglicherweise eine Falle stellen werde. In diesem Zusammenhang hatte er selbst als Schwachpunkt seine Neigung zu Frauen genannt. Die Wende in New York wird deshalb Spekulationen über eine Verschwörung gegen den aussichtsreichsten Herausforderer Präsident Sarkozys wieder Auftrieb geben. Darauf gibt es zwar bisher keine Hinweise; aber die abgehörten Telefon-Äußerungen der Hotelangestellten über finanzielle Vorteile aus der Affäre liefern genug Nährboden für neue Verdächtigungen".

„Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ (Essen): „Wenn Dominique Strauss- Kahn demnächst noch eine saftige Rede gegen die amerikanische Justiz und ihre Cowboy-Methoden hält, die einen unschuldigen Mann weltweit an den Pranger stellt und ihn um seine goldene Zukunft bringt, steht seiner Präsidentschaft in Frankreich so gut wie nichts im Wege. Es ist ja noch vieles im Dunkeln, aber seit gestern kann niemand ausschließen, dass es genau so kommt. Amtsinhaber Sarkozy hat jedenfalls Grund zur Sorge. Frankreichs Sozialisten jubeln. Frankreichs Feministinnen schweigen. Strauss-Kahns, sagen wir: freizügiges bis besitzergreifendes Verhältnis zu Frauen ist dort kein Thema. Ein Karriere-Hindernis scheint es jedenfalls nicht zu sein, anders, als die dortigen Konservativen hoffen. Wobei Strauss-Kahn seiner kühl-abgebrühten Frau dankbar sein kann, die es scheinbar unverdrossen hinnimmt, wenn ihr Mann auch bei anderen Geschlechtsgenossinnen per Sex nach Bestätigung sucht. Natürlich schlägt jetzt erst recht die Stunde der Verschwörungstheoretiker. Ist der Fall Strauss-Kahn am Ende eine Staatsaffäre? Spielt sie nur in Frankreich oder zwischen Frankreich und den USA? Offenbar war Geld im Spiel. Wo kam es her? Und wer spielt in dem Thriller um Sex und Macht, der in zwei Jahren in die Kinos kommt, die Hauptrolle?“