Der zurückgetretene IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn kommt ohne Kaution frei. Das entschied ein Gericht in New York am Freitag.

Paris. Überraschende Wende im Fall Dominique Strauss-Kahn: Der frühere IWF-Chef ist am Freitag aus dem Hausarrest freigelassen worden. Richter Michael Obus stimmte in New York einer Entlassung ohne Kaution zu. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor erklärt, es seien ernste Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Frau aufgekommen, die Strauss-Kahn der versuchten Vergewaltigung beschuldigt hat.

In der Übereinkunft vom Freitag wurden lediglich die Reisebeschränkungen aufrechterhalten. Demnach kann Strauss-Kahn vorerst nicht aus den USA nach Frankreich zurückkehren, da sein Reisepass weiter eingezogen bleibt. Das Strafverfahren gegen ihn läuft unvermindert weiter. Der zurückgetretene IWF-Chef verließ das Gerichtsgebäude lächelnd und an der Hand seiner Ehefrau Anne Sinclair.

Strauss-Kahn war Mitte Mai unter dem Vorwurf festgenommen worden, ein Hotel-Zimmermädchen in New York sexuell angegriffen zu haben. Er befand sich eine knappe Woche lang in Haft, bevor er gegen Kaution in Höhe von einer Million Dollar (690.000 Euro) und einer Hinterlegung von Bürgschaften über fünf Millionen Dollar freigelassen wurde. Seitdem stand der 62-Jährige unter strengem Hausarrest. Die jetzige Freilassung ohne Kaution deutet darauf hin, dass die Beschuldigungen gegen ihn weniger schwer sein könnten als bisher angenommen. Strauss-Kahns Anwälte äußerten sich erleichtert.

Beschuldigerin soll in mehreren Punkten gelogen haben

Die Nachrichtenagentur AP erfuhr aus Ermittlerkreisen, dass das Zimmermädchen in mehreren Punkten gelogen haben soll. Unter anderem soll die Beschuldigerin falsche Angaben über einige ihrer Tätigkeiten in den Stunden um den mutmaßlichen Übergriff gemacht haben. Dies bedeutet allerdings nicht unbedingt, dass die Staatsanwaltschaft auch ihre Schilderung des Vorfalls selbst infrage stellt.

Die Beschuldigerin hat nach Vermutungen Staatsanwaltschaft auch über ihren Lebenslauf gelogen, wie eine der Gewährspersonen weiter sagte. Demnach soll das Zimmermädchen in seinem Asylantrag verschiedentlich die Unwahrheit gesagt haben. Dazu zähle, dass die Frau erklärt habe, sie sei in ihrem Heimatland Guinea vergewaltigt worden. "Sie hat die ganze Geschichte den Staatsanwälten noch einmal erzählt und dann später gesagt, dass sie nicht wahr sei“, verlautete aus Polizeikreisen.

Nach Informationen der Zeitung "New York Times“, die als erste über die mögliche Wende in dem Fall berichtete, hat die Frau möglicherweise Verbindungen zu Straftätern, die in Drogengeschäfte und Geldwäsche verwickelt sind.

Die Staatsanwaltschaft hatte anfangs erklärt, die Beweise gegen den ehemaligen geschäftsführenden Direktor des Internationalen Währungsfonds seien erdrückend. Strauss-Kahn hat die Vorwürfe zurückgewiesen, die 32-Jährige sexuell angegriffen zu haben.

Der französische Volkswirt und Diplomat wurde bisher in einem luxuriösen Stadthaus in Manhattan rund um die Uhr bewacht und musste eine elektronische Fußfessel tragen. Er durfte das Stadthaus im trendigen Viertel Tribeca nur verlassen, um Gerichts-, Anwalts- oder Arzttermine wahrzunehmen und einmal wöchentlich an einem Gottesdienst teilzunehmen. Die Sicherheitsmaßnahmen, darunter auch Überwachungskameras, kosteten ihn schätzungsweise 200.000 Dollar im Monat, die Miete betrug 50.000 Dollar.