Die Bundeswehr hat bei einer Evakuierungsaktion 132 Menschen mit Transall-Maschinen von libyschem Ölfeld nach Kreta ausgeflogen.

Hamburg/Berlin. "Ich danke den Angehörigen der Bundeswehr für ihren mutigen Einsatz", sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) gestern in Berlin. Deutsche Transall-Militärmaschinen hatten 132 Personen, darunter 50 Deutsche, in einer bewaffneten Rettung aus Libyen ausgeflogen. Er sei sehr froh, dass diese "nicht ungefährliche Evakuierungsaktion" aus der Libyschen Wüste geglückt sei. Die Maschinen landeten schließlich auf der griechischen Insel Kreta.

Die Entscheidung zu diesem Einsatz war am Freitagabend gefallen. Immer mehr Menschen hatten sich in einem Lager der Firma Wintershall gesammelt, die an der Ölbasis al-Nafoura über eine eigene Landebahn verfügt. Außenminister Westerwelle teilte dazu mit, dass die Bundesregierung die Lage als sehr gefährlich eingeschätzt und eine Operation befohlen habe. Er habe laut Parlamentsbeteiligungsgesetz die Fraktionsvorsitzenden darüber informiert. Eine Fallschirmjägereinheit aus Niedersachsen, die zuvor nach Kreta geflogen war, war an der Rettungsaktion beteiligt.

Auch eine britische Militärmaschine landete in al-Nafoura und nahm weitere 18 Deutsche auf. Insgesamt sollen jetzt noch rund 100 Deutsche in Libyen sein, darunter 50 in Tripolis. Westerwelle verschärfte die Reisewarnungen für Libyen noch einmal und fügte an die Adresse von Machthaber Muammar al-Gaddafi hinzu: "Die Zeit des Diktators ist abgelaufen. Er muss gehen. Punkt und aus."

Das einstige Riesenreich des Obersts wird indessen täglich kleiner. Immer mehr Soldaten der regulären Armee laufen zu den Regimegegnern über. Schon seit Tagen ist die zweitgrößte Stadt Libyens, Bengasi im Osten des Landes, fest in der Hand der Gaddafi-Gegner. Dort formierte sich eine Übergangsregierung unter dem ehemaligen Justizminister Mustafa Abdul Dschalil. Er hatte sich mit abtrünnigen Stammesführern geeinigt. Die Übergangsregierung will drei Monate im Amt bleiben und danach durch eine vom Volk gewählte Vertretung ersetzt werden.

Am Wochenende verloren die regimetreuen Truppen auch die Kontrolle über die drittgrößte Stadt Misurata. Gestern war al-Sawija westlich der Hauptstadt Tripolis noch umkämpft. Dutzende Menschen sollen getötet worden sein. Die Truppen Gaddafis haben nach Augenzeugenberichten einen Ring um die Stadt gebildet. Es hieß, die Aufständischen hätten der Armee mit einem Blutbad gedroht, sollten sie versuchen, die Stadt einzunehmen.

Der Diktator hielt sich offenbar weiterhin mit mehreren Brigaden in der riesigen Basis Bab al-Asisija in Tripolis verschanzt. Seine Anhänger halten auch Gaddafis Heimatstadt Sirte und kontrollieren damit die strategisch wichtige Küstenstraße.

Obwohl sein Rückhalt schwindet und ihn immer mehr Regierungschefs in aller Welt zum Rücktritt auffordern, denkt Gaddafi nicht ans Einlenken. In einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte US-Präsident Barack Obama: Wenn ein Herrscher Gewalt gegen sein eigenes Volk anwenden müsse, um sich an der Macht zu halten, dann sollte er das Richtige für sein Land tun und es sofort verlassen. Es war das erste Mal, dass Obama den libyschen Diktator offen zum Rücktritt aufgefordert hat. Obama und Merkel waren sich einig, dass Gaddafi jegliche Legitimität als Machthaber verloren habe.

Angesichts der Sanktionen des Uno-Sicherheitsrates gegen Gaddafi und des Zögerns der Europäischen Union in dieser Sache sagte die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth dem Hamburger Abendblatt in Berlin: "Die EU muss in Bezug auf Libyen jetzt schleunigst mit einer Stimme klare Kante zeigen und muss scharfe Sanktionen gegen Gaddafi und sein Regime beschließen und jegliche Unterstützung definitiv beenden. Sie darf sich nicht weiter von Gaddafi-Freund Berlusconi bremsen lassen." Es sei "ein bemerkenswertes Armutszeugnis für die EU-Außenpolitik, dass sie hinter dem Uno-Sicherheitsrat hinterherhinkt", sagte Roth. "Aber wenn es um die Abwehr von Flüchtlingen und den Einsatz von Frontex geht, dann ist die EU plötzlich sehr schnell einig und tritt in Aktion und versucht, sich als Festung abzuschotten, anstatt ihrer humanitären Verpflichtung gegenüber den vielen Menschen in höchster Not nachzukommen. Das ist ein beschämendes Ungleichgewicht in der politischen Handlungsfähigkeit und Heuchelei in Bezug auf Menschenrechte und Demokratie. Dafür trägt auch die Bundesregierung eine gehörige Portion Verantwortung."