Der Diktator soll die Bombardierung seiner Gegner einstellen und Libyen verlassen, dann bleibe er straffreiLibyen

Hamburg. Die Aufständischen in Libyen haben Diktator Muammar al-Gaddafi gestern ein Ultimatum gestellt: "Wenn er die Bombardierungen einstellt und das Land innerhalb von 72 Stunden verlässt, werden wir als Libyer davon Abstand nehmen, ihn strafrechtlich zu verfolgen", sagte der Chef der oppositionellen Interimsverwaltung, Mustafa Abdul Dschalil, dem arabischen Sender al-Dschasira.

Das Regime in Tripolis hatte zuvor Berichte des US-Senders CNN dementiert, wonach Gaddafi bereits mit den Rebellen über die Bedingungen für einen Machtverzicht verhandle. Man verhandle nicht mit Aufständischen, erklärte ein Regierungssprecher.

Die militärische Situation der Gaddafi-Gegner ist indessen wenig geeignet, dem Regime ein Ultimatum zu stellen. Die Luftwaffe des Diktators bombardierte auch gestern Stellungen der Aufständischen, vor allem in der Ölstadt Ras Lanuf im Osten des Landes. Die Opposition wehrte sich mit ineffektivem Luftabwehrfeuer. Angaben über die Zahl der Opfer gab es nicht.

Die Stadt Sawija in der Nähe der von Gaddafi kontrollierten Hauptstadt Tripolis ist nach schweren Kämpfen offenbar wieder fest in den Händen der regimetreuen Truppen. Ein Augenzeuge berichtete per Telefon, durch die Straßen patrouillierten Panzer und andere Kampffahrzeuge der Armee. Die Truppen Gaddafis feuerten willkürlich auf Wohnhäuser. "Die Stadt liegt in Ruinen", sagte der Augenzeuge.

Alle Strom- und Internetverbindungen wurden offenbar unterbrochen. In den Krankenhäusern gehen angesichts der vielen Verwundeten Verbände und Arzneien aus.

Wie die Zeitung "Gulf News" meldete, droht den Rebellen nach eigenem Eingeständnis in Kürze das Benzin auszugehen. Zwar sprudelten die Ölquellen in der von ihnen kontrollierten Region um Libyens zweitgrößte Stadt Bengasi weiter. Doch die Raffinerien arbeiten nicht mehr. Wie das Blatt schrieb, berieten die Rebellen über Pläne, Treibstoff in Italien besorgen zu wollen.

Angesichts der Bombardierungen durch Gaddafis Luftwaffe fordern die Regierungen in London und Paris die Einrichtung einer Flugverbotszone in Libyen und wollen dies über eine Resolution im Weltsicherheitsrat durchsetzen. Ein entsprechender Entwurf soll noch diese Woche eingebracht werden. "Es herrscht ein Gefühl der Dringlichkeit. Wir können nicht zusehen, wie die Bevölkerung massakriert wird", sagte ein Uno-Diplomat der französischen Zeitung "Le Figaro".

Die Arabische Liga verlangt für die Einrichtung einer Flugverbotszone ein Mandat des Sicherheitsrates. "Wir werden kein unilaterales Vorgehen unterstützen, und wir werden keine Einmischung des Auslands in die inneren Angelegenheiten Libyens tolerieren", sagte Liga-Sprecher Hescham Jussef.

In Berlin befürworteten auch die außenpolitischen CDU-Experten Ruprecht Polenz und Philipp Mißfelder ein Flugverbot bei Erteilung eines Uno-Mandats. Polenz forderte zudem die Einbindung der Arabischen Liga. Dagegen warnte der außenpolitische Sprecher der SPD, Rolf Mützenich, vor einer militärischen Eskalation, schloss aber eine grundsätzliche Zustimmung seiner Partei zu einem solchen Einsatz nicht aus. Der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte gegenüber "Spiegel Online": "Wer einen solchen Luftkrieg in Libyen möchte, tut gut daran, über die Folgen samt aller Kollateralschäden nachzudenken." Die Linkspartei argumentierte, eine zu offene Parteinahme des Westens für die libyschen Aufständischen könnte Gaddafi in die Hände spielen.

Der frühere deutsche Außenminister Joschka Fischer (Grüne) warf der EU in der "Stuttgarter Zeitung" Versagen im Umgang mit den Revolutionen im arabischen Raum vor. Die aktuelle Reaktion Europas verschlage ihm fast den Atem. "Es ist atemberaubend, wie wir uns nicht um die strategischen Herausforderungen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft kümmern", sagte Fischer. Gaddafi dürfe nicht an der Macht bleiben - wenn ihm das gelinge, erfolge eine Radikalisierung der libyschen Jugend.

Schon jetzt überwachen Awacs-Maschinen der Nato rund um die Uhr alle militärischen Aktionen im Luftraum Libyens. Die Nordatlantische Allianz hatte die Entscheidung getroffen, die Überwachung von zehn Stunden täglich auf 24 Stunden auszudehnen. Ziel sei es, "ein Bild davon zu gewinnen, was wirklich in diesem Teil der Welt vor sich geht", sagte der amerikanische Nato-Botschafter Ivo Daalder. Die Maschinen können fliegende Objekte noch in 400 Kilometern Entfernung ausmachen. Das Radar eines Awacs-Flugzeuges kann ein Gebiet überwachen, das fast der Größe Deutschlands entspricht.