Die Rebellen verlangen von Gaddafi, die Angriffe zu stoppen und das Land innerhalb 72 Stunden zu verlassen. EU friert weitere Vermögen ein.

Bengasi/Kairo. Die Aufständischen im Osten Libyens haben Staatschef Muammar al-Gaddafi ein Ultimatum von 72 Stunden gestellt, um Angriffe gegen die Zivilbevölkerung zu stoppen und das Land zu verlassen. „Wenn er die Bombardierungen einstellt und das Land innerhalb von 72 Stunden verlässt, werden wir als Libyer davon Abstand nehmen, ihn strafrechtlich zu verfolgen“, sagte der Chef der Interimsverwaltung der Gaddafi-Gegner, Mustafa Abdul Dschalil, am Dienstag dem arabischen Fernsehsender Al-Dschasira.

Dschalil war Justizminister in Gaddafis Regierung, wechselte aber nach Ausbruch des Aufstands gegen Gaddafi am 17. Februar auf die Seite der Regimegegner. Doch die Loyalität im Umfeld des Diktators bröckelt weiter. Wie am Dienstag bekanntwurde, stellte Gaddafi seinen Verteidigungsminister Abu Bakr Junis und den Alt-Revolutionär und langjährigen Geheimdienstchef Mustafa al-Charubi unter Hausarrest. Die beiden Weggefährten Gaddafis aus frühen Jahren hätten die jüngsten Militäroperationen des Regimes abgelehnt, verlautete aus Regierungskreisen in Tripolis. Junis ist einer von 26 Spitzenfunktionären des Regimes, gegen die die Europäische Union (EU) Kontensperren und Einreiseverbote verhängt hat.

Unterdessen will Libyen angeblich Beobachter der Vereinten Nationen und der Europäischen Union ins Land lassen. „Wir werden sie eskortieren, wir werden sie beschützten und sie werden die Möglichkeit haben, überall hinzugehen“, zitierte ein hochrangiger EU-Diplomat am Dienstag einen Regierungsvertreter aus Tripolis. Die libysche Staatsführung habe in Gesprächen zugesichert, dass eine Untersuchungsmission sofort mit der Arbeit beginnen könne. Die noch in Libyen verbliebenen Diplomaten aus EU-Staaten betonten nach Angaben aus Brüssel die Notwendigkeit von unabhängigen Untersuchungen. „Wir wissen, dass es Menschenrechtsverletzungen gibt. Aber wir sind nicht in der Lage zu sagen, wer dafür verantwortlich ist“, sagte der EU-Diplomat nach seiner Rückkehr aus Tripolis.

Derweil verschärft die EU ihre Sanktionen gegen Libyen. Die Vertreter der 27 EU-Regierungen einigten sich am Dienstag in Brüssel darauf, das Vermögen einer Reihe von libyschen Finanzunternehmen einzufrieren. Nach Angaben von EU-Diplomaten gehört auch die Libysche Investment Behörde (LIA), die in mehreren EU-Staaten und in den USA an Firmen beteiligt ist, zu den betroffenen Unternehmen.

Mit diesem Schritt werden die bisherigen EU-Sanktionen erweitert. Sie sehen Einreiseverbote gegen Gaddafi sowie 25 andere Führungsgestalten des Regimes ebenso vor wie das Einfrieren von deren Vermögen in der EU. Die verschärften Sanktionen sollen an diesem Freitag bei einem Sonder-Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EU offiziell beschlossen werden.

Vor dem Einfrieren der Vermögenswerte der Finanzunternehmen hatte Malta Aufklärung darüber verlangt, was dies für Unternehmen bedeuten könne, an denen libysche Investoren beteiligt seien.

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Auch Wohngebiet bei Luftangriff getroffen

Die Situation in Libyen verschärft sich immer weiter. Nun soll nach Angaben eines Reuters-Korrespondenten bei einem Luftangriff auf die Ölstadt Ras Lanuf auch ein Wohngebiet getroffen worden sein. Berichte, wonach Gaddafi den Rebellen seinen Rückzug angeboten haben soll, bezeichnete ein Vertreter des libyschen Außenministeriums unterdessen als „vollkommenen Blödsinn“.

Im Zuge der Gegenoffensive der libyschen Streitkräfte haben Kampfflugzeuge am Dienstag mindestens drei Luftangriffe auf Stellungen der Aufständischen in der Nähe des Ölhafens Ras Lanuf geflogen. Tote oder Verletzte habe es dabei offenbar nicht gegeben, sagte ein Reporter der Nachrichtenagentur AP, der die Angriffe beobachtete.

Die Stadt Sawija in der Nähe der Hauptstadt Tripolis wurde nach Augenzeugenberichten von Anhängern des Machthabers Muammar al Gaddafi zurückerobert. Ein Augenzeuge berichtete telefonisch, Panzer und andere Kampffahrzeuge der regierungstreuen Truppen patrouillierten in der Stadt und feuerten willkürlich auf Häuser.

„Die Stadt liegt in Ruinen“, sagte der Augenzeuge. „Manche Gebäude sind völlig zerstört und in den Straßen wird auf jeden geschossen. Es gibt viele Verletzte, aber den Krankenhäusern geht das Material aus.“ Außerdem seien in Sawija alle Strom-, Telefon- und Internetverbindungen unterbrochen worden.

Die regierungstreuen Truppen nutzen vor allem ihre Lufthoheit, um die Aufständischen zu bekämpfen und ihren Marsch auf Tripolis zu stoppen. Über die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen, wie sie die Regierungsgegner fordern, herrscht international indes weiterhin Uneinigkeit.

Die Arabische Liga verlangte dafür eine Genehmigung des UN-Sicherheitsrats. Man werde eine solche Maßnahme nicht pauschal unterstützen, sagte Hescham Jussef, Sprecher der Liga, am Montag der Nachrichtenagentur AP. „Wir werden kein unilaterales Vorgehen unterstützen, und wir werden keine Einmischung des Auslands in die inneren Angelegenheiten Libyens tolerieren“, sagte Jussef.

Aus westlichen Regierungskreisen hieß es hingegen, ein UN-Mandat für eine Flugverbotszone sei zwar wünschenswert, jedoch nicht zwingend notwendig. Großbritannien und Frankreich arbeiten derzeit an einem Entwurf für eine entsprechende UN-Resolution. Es sei jedoch noch keine Entscheidung gefallen, ob die Initiative tatsächlich im UN-Sicherheitsrat eingebracht wird.

Unterstützung für eine Flugverbotszone äußerten Vertreter der Vereinigten Arabischen Emirate. Außenminister Abdullah bin Sajid al Nuhujjan sagte, der UN-Sicherheitsrat solle „seine historische Verantwortung für den Schutz des libyschen Volkes wahrnehmen“.

Derweil betonte US-Präsident Barack Obama am Montag, dass die USA und ihre Verbündeten angesichts der anhaltenden Kämpfe in Libyen noch immer ein militärisches Eingreifen erwägten. Die USA stünden an der Seite des libyschen Volkes, das „inakzeptabler“ Gewalt ausgesetzt sei.

Ein Sprecher des libyschen Nationalrat erklärte unterdessen, ein angeblicher Gesandter Gaddafi habe Kontakt zur Opposition in der Stadt Bengasi aufgenommen und Gespräche über einen möglichen Rücktritt des Staatschefs angeboten. Es könne jedoch nicht überprüft werden, ob der Mann tatsächlich auf Geheiß Gaddafis handelte oder aus eigener Initiative aktiv geworden sei, sagte Mustafa Gheriani der Nachrichtenagentur AP. „Unsere Haltung ist klar: Keine Verhandlungen mit den Gaddafi-Regime“, sagte Gheriani. (dapd/rtr/dpa)