Die schwedische Polizei stellt inzwischen die Theorie vom Einzeltäter infrage; der 28-jährige gebürtige Iraker lebte als Student in England.

Hamburg/Stockholm. Zwei Tage nach dem Selbstmordanschlag in der Innenstadt von Stockholm, bei dem der Täter getötet und zwei Passanten verletzt worden waren, konzentrieren sich die Ermittlungen nun auf die Frage, ob der Mann allein gehandelt hat oder Helfer hatte.

Am Sonntag hatten die schwedischen Sicherheitsbehörden noch die Einschätzung geäußert, es habe sich um einen Einzeltäter ohne Verbindung zu Terrorgruppen wie al-Qaida gehandelt.

Gestern jedoch zeigten sich zumindest die schwedische Sicherheitspolizei Säpo und die Staatsanwaltschaft davon überzeugt, dass es mehrere Mittäter gegeben haben könnte. Staatsanwalt Thomas Lindstrand sagte, das Attentat sei zwar fehlgeschlagen, aber "gut vorbereitet" gewesen. Daher müsse man von Helfern bei der Planung ausgehen.

Der Täter wurde inzwischen als der 28-jährige gebürtige Iraker Taimur Abdulwahab al-Abdali identifiziert. Bis zum Anschlag war er den schwedischen Terrorbehörden vollkommen unbekannt. Nach Angaben der Zeitung "Aftonbladet" war Abdulwahab 1992 mit seinen Eltern nach Schweden gekommen und hatte 2001 nach dem Abitur ein Studium der Sporttherapie an der Universität Bedfordshire in Luton, rund 30 Autominuten nördlich von London, begonnen.

Zuletzt wohnte der schwedische Staatsbürger dort mit seiner Frau und drei Kindern. Die Stadt hat einen hohen Anteil an muslimischer Bevölkerung. Abdulwahab soll sich nach eigenem Facebook-Bekenntnis radikalislamischen Gruppen angeschlossen und zudem in Pakistan ein Ausbildungslager für Terroristen besucht haben. Er sei Mitglied der islamistischen Gruppierung Islamischer Kalifatsstaat, die einen muslimischen Gottesstaat auf der ganzen Welt errichten will. Die "Daily Mail" berichtete von ins Internet gestellten Bildern von einer zerstörten Londoner Tower Bridge und einer Welt in Flammen. Ob seine Behauptungen über eine Verbindung zu militanten Organisationen stimmen, ist aber noch ungeklärt.

Taimur Abdulwahab al-Abdali soll nach schwedischen Medienberichten auch eine Wohnung in Tranas, 200 Kilometer südwestlich von Stockholm, unterhalten haben. Die Häuser in Luton und Tranas wurden von der Polizei durchsucht. Nach einem Eintrag in eine Kontaktbörse soll der Täter noch eine zweite Frau gesucht haben. Zudem habe er in Kürze in ein arabisches Land ausreisen wollen. Am Sonnabend hatte er zunächst in Stockholms Innenstadt seinen eigenen Wagen in Brand gesetzt; die Explosion richtete jedoch keinen großen Schaden an - weil Benzinkanister in dem Fahrzeug nicht Feuer fingen. Anschließend sprengte er sich 200 Meter weiter in einer Seitenstraße unweit des Weihnachts-Verkaufstrubels in die Luft - aber offenbar versehentlich. Wie Staatsanwalt Lindstrand sagte, muss der Täter "wohl irgendwelche Fehler gemacht haben, sodass eine der Bomben an seinem Körper zu früh detoniert ist". Nur eine von sechs Rohrbomben explodierte - nach Lindstrands Einschätzung wollte der Schwede das ganze Bombenpaket im Stockholmer Hauptbahnhof oder dem beliebten Kaufhaus Ahlens zünden. Ein Bombenexperte der schwedischen Armee nannte das Vorgehen des Täters "technisch betrachtet amateurhaft".

In seinen Facebook-Mitteilungen soll sich Abdulwahab auch zu Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida bekannt haben. Er hatte in Drohmails Rache am schwedischen Volk angekündigt, weil Schweden am Afghanistan-Einsatz beteiligt sei und die Mohammed-kritischen Karikaturen des schwedischen Künstlers Lars Vilks nicht bestraft habe.

Die islamistische Website "Schumuch al-Islam" hatte am Sonntag, einen Tag nach dem Anschlag, das Foto eines Mannes gezeigt und behauptet, es zeige den Attentäter von Stockholm. Dazu hatte es geheißen: "Das ist unser Bruder, der Mudschahid Taimur Abdulwahab, der die Märtyrertat in Stockholm vollbracht hat." Dazu gab es allerdings auch Stimmen, die meinten, es handle sich wohl eher um ideologische Trittbrettfahrer. Vermutlich sei Abdulwahab auch gar nicht in Pakistan oder im Nahen Osten radikalisiert worden, sondern hier in Europa. In seinen regen Internetaktivitäten hatte sich der Schwede vehement gegen das westliche Engagement in Afghanistan und im Irak ausgesprochen. Für Bekannte in Großbritannien passt dies alles ohnehin so gar nicht zu dem Mann, den sie gekannt haben. Ein Nachbar in Luton sagte, Abdulwahab sei "immer freundlich gewesen". Seine 25-jährige Ex-Freundin schilderte ihn als "lebensfroh und stets lachend". Bekannte sagten, er sei wegen seiner modischen Kleidung "Playboy" genannt worden. Allerdings sei Abdulwahab auch sehr rechthaberisch gewesen. Seine Frau sei nur verhüllt in der Öffentlichkeit aufgetreten.