Russland hat das Angebot der Nato überraschend angenommen. Damit gehe der kalte Krieg “engültig zu Ende“, sagte Bundeskanzlerin Merkel.

Lissabon. Russland hat am Sonnabend das Nato-Angebot über eine mögliche Beteiligung an einer europäischen Raketenabwehr angenommen und Verhandlungen darüber zugesagt. Eine Entscheidung über eine tatsächliche Beteiligung sei aber offen, machte der russische Präsident Dmitri Medwedew zum Abschluss eines Nato-Russland-Rates am Sonnabendabend in Lissabon deutlich. Vorher wolle Moskau wissen, wo sein Platz sein werde. „Wir werden gleichberechtigt beteiligt, oder wir werden uns nicht beteiligen“, sagte Medwedew.

Verabredet wurde, die auf Eis gelegte Zusammenarbeit zum Schutz von Truppen in Einsätzen wieder aufzunehmen. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte, für die Kooperation bei einem Abwehrschirm für die Territorien würden die noch ausstehenden Antworten gegeben. Medwedew sagte, derzeit sei der Plan der Nato für die Raketenabwehr noch ganz neu, und die Staaten in Europa wüssten selbst noch nicht genau, wie das System aussehen und was es kosten solle. Zugleich stellte er vier Bedingungen für die Kooperation: Gleichberechtigung, Transparenz, technologische Zusammenarbeit und gemeinsame Verantwortung bei Entscheidungen.

Die Nato hatte am Freitag den Startschuss zum Aufbau eines Nato-Raketenschirms bis zum Jahr 2020 gegeben. Das Moskau nun über eine Beteiligung verhandeln wolle sei „ein wirklicher Neustart“ der Beziehungen zwischen dem Bündnis und Russland, sagte Rasmussen. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist damit das letzte Kapitel des Kalten Krieges endgültig zugeschlagen. Auch US-Präsident Barack Obama zeigte sich hoch erfreut: „So kann aus einer Quelle der Bedrohung eine Quelle der Zusammenarbeit gegen eine gemeinsame Bedrohung werden.“

Für Merkel ist in Lissabon ein „bedeutender Schritt“ in der Kooperation einstiger Feinde gegangen worden. Russland sei nicht länger eine Bedrohung für die Nato, sondern werde von der Allianz jetzt als Partner im Kampf gegen neue Bedrohungen gesehen, sagte die Kanzlerin. Damit gehe der Kalte Krieg „endgültig zu Ende“.

Bei der Zusammenarbeit geht es in einem ersten Schritt um eine gemeinsame Bedrohungsanalyse. Im Juni kommenden Jahres sollen auf dem nächsten Treffen der Verteidigungsminister von NATO und Russland die Möglichkeiten der Zusammenarbeit weiter ausgelotet werden.

Neben der Raketenabwehr einigten sich Nato und Russland zudem auf eine engere Zusammenarbeit beim Thema Afghanistan. So will Russland seine Transitwege für die Verbündeten öffnen und den Transport sogenannter nichttödlicher Güter gestatten. Damit können jetzt auch gepanzerte Fahrzeuge auf dem Schienenweg Russland passieren. Zudem soll es nicht nur um den Transport nach Afghanistan gehen, sondern auch um den Rücktransport durch Russland. Damit verfügt die Nato erstmals über eine kostengünstige Alternative zum teuren Lufttransport.

Ferner wollen die Nato und Russland auch auf dem Feld der Drogenbekämpfung enger zusammenarbeiten und mehr gemeinsam zum Schutz der internationalen Handelswege gegen Piraten unternehmen. Schließlich sollen nächste Schritte zur Unterbindung einer Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen unternommen werden. „Ich glaube, dieses Treffen war ein echter Wendepunkt“, sagte der Generalsekretär. Medwedew fügte hinzu: „Es ist ein wirklich historisches Ereignis.“