Biermanns Hoffnung: Wer in einer Diktatur Drachen töten will, muss in der Liebe ruhen

Liu Xiaobo war ja schon länger im Gespräch als Kandidat für den Friedensnobelpreis. Immer wenn ich das hörte, dachte ich: Hoffentlich kriegt er den Preis, und hoffentlich kriegt er ihn lieber nicht.

Der Grund für meine Sorge ist klar: Der deutsche Journalist Carl von Ossietzky bekam in der Nazizeit auch diesen Friedensnobelpreis, und es hat ihm nichts genützt. Er hat die Qualen der Haft im Konzentrationslager nicht überlebt.

Das Geld für den Nobelpreis kommt ja aus dem Kapital, das erwirtschaftet wurde mit Alfred Nobels Erfindung einer kostbaren Ware: Dynamit, dem Grundnahrungsmittel für den grausamen Gott des Krieges. Es ist also logisch, dass das Nobelkomitee im Sinne des Ablasshandels etwas für den Frieden tun will.

Ich finde es gut, dass die Juroren sich nicht wie Kaufleute verhalten haben, deren Moral gegenüber dem Wirtschaftsriesen China Profitgier heißt. Und ich hoffe, dass sie diesen Menschen nicht ins Grab zerren, sondern in die Freiheit.

Ich beobachte an dieser Geschichte, was ich auch selbst im Streit der Welt gelernt habe: Wer in der Diktatur den Drachen töten will, muss ruhen in der Liebe zu einem Menschen.

Dieses Lebensglück hat er, dieser Liu Xiaobo.

Und wenn der Dichter nicht gleich totgeschlagen wird, und wenn er eingesperrt wird zu einem Zeitpunkt, wo er immerhin schon populär ist, dann geht es ihm wie der Nachtigall im Käfig - sie singt noch lauter und schöner.