Syrer sollen trotz der anhaltenden Gewalt über Verfassungsänderung abstimmen. Außenminister Westerwelle kündigt neue EU-Sanktionen an.

Beirut. Die syrische Führung hat das von der Opposition scharf kritisierte Verfassungsreferendum ungeachtet neuer massiver Gewalt gegen Zivilisten auf den Weg gebracht. Mindestens 31 Menschen wurden gestern nach Angaben von Menschenrechtlern getötet, während gleichzeitig in zahlreichen Städten die Wahllokale öffneten.

An eine Teilnahme am Referendum war in der Protesthochburg Homs wie auch in vielen anderen umkämpften Provinzstädten nicht zu denken. "Worüber sollen wir abstimmen? Ob wir durch Bombardierung oder durch Kugeln getötet werden? Das ist die einzige Wahl, die wir haben", sagte Regierungsgegner Walid Fares, der sich aus dem Viertel Chalidija zu Wort meldete. "Wir sind seit 23 Tagen in unseren Häusern gefangen. Wir können nicht raus, außer in ein paar Gassen." Märkte, Schulen und Regierungsgebäude seien geschlossen. Auf den Straßen sei kaum etwas los wegen der Heckenschützen.

+++ Kommentar von Thomas Frankenfeld: Durchsichtiges Manöver +++

+++ Syrer sollen über neue Verfassung abstimmen +++

Die syrische Führung hat erklärt, sie bekämpfe vom Ausland unterstützte Terroristen. Es ist schwierig, die Angaben der Behörden oder der Opposition unabhängig zu überprüfen, da Syrien kaum ausländische Berichterstatter ins Land lässt. In Homs allerdings befinden sich immer noch zwei westliche Journalisten, die kürzlich beim Bombardement der Stadt verletzt wurden. Zwei Kollegen von ihnen starben. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) erklärte, es verhandle weiter mit den syrischen Behörden und den Kämpfern der Opposition, um zu den Hilfsbedürftigen zu gelangen. Bislang seien die Gespräche aber "ohne konkretes Ergebnis verlaufen", sagte IKRK-Sprecher Hicham Hassan in Genf.

Ungeachtet der Gewalt hielt die syrische Führung das umstrittene Referendum in ruhigeren Landesteilen ab. In Damaskus kamen Dutzende, um für Assad zu stimmen. Die syrische Opposition hatte zu einem Boykott aufgerufen. Sie wirft Assad vor, sich den Anschein zu verleihen, auf die Proteste des Volkes einzugehen, während er in Wirklichkeit seine Macht zementiere. Assad hatte die Abstimmung angesetzt, nachdem der internationale Druck auf ihn zunahm und die seit fast einem Jahr anhaltenden Proteste nicht abebbten.

Die Syrer sollen darüber abstimmen, ob ein Artikel aus der Verfassung gestrichen wird, der Assads Baath-Partei bislang die Alleinherrschaft garantiert. In diesem Fall soll ein Mehrparteiensystem etabliert und binnen drei Monaten eine Parlamentswahl abgehalten werden. Außerdem soll der Präsident nur noch zwei Amtszeiten mit einer Dauer von jeweils sieben Jahren regieren dürfen. Da diese Begrenzung jedoch nicht nachträglich wirksam wird, würde Assad de facto bis 2028 an der Spitze des Staats bleiben können. Seine jetzige Amtszeit dauert noch bis 2014, seit elf Jahren regiert er in Syrien, und seit vier Jahrzehnten herrscht seine Familie in dem arabischen Land.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte, das Referendum sei "nicht mehr als eine Farce". Assad müsse endlich die Gewalt beenden und den Weg für einen politischen Übergang frei machen. Für heute kündigte er neue, schärfere Sanktionen der EU gegen Syrien an, darunter Einschränkungen für den syrischen Finanzsektor und den Flugverkehr.

Sanktionen auf Ebene des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen scheiterten dagegen bislang am Widerstand der Vetomächte Russland und China, die neben dem Iran wenigen verbliebenen Unterstützer Assads.