In Ägypten sind ingesamt 43 Menschen, darunter zwei Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung, angeklagt, Unruhe im Land stiften zu wollen.

Kairo. Als der Vorsitzende Richter um 13.15 Uhr den Gerichtssaal betritt, herrscht dort das totale Chaos. Der Raum ist voll von Journalisten, Fotografen, Botschafts- und Familienangehörigen, Freunden der Angeklagten und Anwälten. Kurz vorher waren 14 der 43 Angeklagten im Verfahren gegen Nichtregierungsorganisationen (NGO) im Saal erschienen und in den für die Angeklagten vorgesehenen Gitterkäfig gebracht worden. Alle reden, keifen, beschimpfen sich. Der Vorsitzende Richter Abdallah Shaker verlässt wieder den Saal. Erst nach der Androhung, alle Medienvertreter und Zuschauer des Saales zu verweisen, sollte keine Ruhe einkehren, kehrt der Richter nach zehn Minuten zurück.

Es folgt die Ausrufung aller 43 Namen, die in diesem Verfahren angeklagt sind, unter ihnen 19 Amerikaner sowie zwei Deutsche, Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung. Nur 14 der angeklagten Ägypter sind erschienen. Die ausländischen Angeklagten sind alle der Verhandlung ferngeblieben. Es heißt, dass sie zwar die Anklageschrift vom Gericht erhalten haben, jedoch keine Vorladung. Wahrscheinlich wollte man die Bilder vermeiden, die Deutsche und Amerikaner hinter Gittern in einem ägyptischen Gerichtssaal zeigen. Es wäre ein Propagandasieg für die ägyptische Regierung geworden.

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Denn das Verfahren gegen die NGO-Mitarbeiter ist vor allem ein politisch motiviertes. Im Dezember wurden die Büros verschiedener Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen durchsucht, unter ihnen das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kairo und von mehreren amerikanischen Organisationen, unter ihnen das National Democratic Institute und das International Republican Institute. Es wurden Dokumente und Computer beschlagnahmt. Die Organisationen werden beschuldigt, illegal aus dem Ausland finanziert worden zu sein und mit diesem Geld unter anderem die Demokratiebewegung in Ägypten finanziert zu haben. Das Ziel sei gewesen, so die Anklage, Ägypten zu destabilisieren und ins Chaos zu stürzen. Das Verbrechen: unter anderem Workshops für junge Demokraten organisiert zu haben, in denen sie lernten Wahlen zu beobachten und Parteien zu gründen, demokratisches Handwerkszeug um den demokratischen Prozess zu begleiten, den der Militärrat nach dem Sturz Mubaraks in die Wege geleitet hatte.

Hinter der Kampagne gegen die Organisationen und Stiftungen steht vor allem eine Frau: Fayza Abou al-Naga, Ministerin für Internationale Kooperation, die schon viele Jahre unter Mubarak als Ministerin gedient hat und eine der wenigen ist, die auch nach dem Sturz Mubaraks politisch überlebt hat. Sie beschuldigt Washington, in Ägypten Chaos zu kreieren, um das Land daran zu hindern, sich zu entwickeln. Was genau die Ministerin mit diesem Konfrontationskurs bezweckt, ist nicht ganz klar. Vielleicht versucht sie mit den angeschlagenen nationalistischen Tönen Kredit bei den Ägyptern zu gewinnen, um so ihre persönliche Position zu stärken. Zwar setzt sie mit ihrer Kampagne die 1,3 Milliarden Dollar Militärhilfe aufs Spiel, die Ägypten jährlich von den USA erhält, doch der Militärrat scheint der Ministerin keinen Einhalt gebieten zu können oder zu wollen.

Es wird behauptet, dass Fayza Abou al-Naga und der Militärrat deshalb unisono gehen, weil sie gemeinsam sechs Jahre lang die politischen und wirtschaftlichen Reformen unter Gamal Mubaraks Ägide abgelehnt haben. Sie und das Militär, das große Teile der ägyptischen Wirtschaft dominiert, hätten es abgelehnt, die ägyptische Wirtschaft zu öffnen. Zudem sei Fayza Abou al-Naga ebenso wie das Militär eine Gegnerin der Revolution und versuche sich nun mit der nationalistischen Karte politisch zu retten.

Warum gerade die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und zwei ihrer Mitarbeiter ins Visier der Ermittler gerieten, ist ebenso unklar. Schließlich sind auch andere Stiftungen genau wie die KAS seit Jahrzehnten in Ägypten tätig. Im Anklagepunkt 42 wird der KAS vorgeworfen, 1,6 Millionen Euro illegal aus Deutschland erhalten zu haben und ohne Lizenz zu arbeiten. Zudem hätten die Angeklagten keine Steuern in Ägypten bezahlt. All das streitet die KAS ab.

Die Anklageschrift gegen die 43 Mitarbeiter der Nichtregierungsorganisationen soll 2200 Seiten umfassen. Die Verteidiger plädierten deshalb für eine Vertagung des Verfahrens, um mehr Zeit zu haben, das Dokument gründlich einzusehen. Es ist kurz vor halb drei, als der Vorsitzende Richter nach 20-minütiger Konsultation wieder den Gerichtssaal betritt. Die Verhandlung wird auf den 26. April vertagt, die 14 ägyptischen Angeklagten, die der Verhandlung hinter Gittern in einer Art Käfig beigewohnt haben, können gehen. Sie werden nicht verhaftet, müssen aber am 26. April wieder vor Gericht erscheinen. Ebenso wie die angeklagten Ausländer, die am Sonntag nicht vor Gericht erschienen sind. Ihre Anwälte bekommen nun Zeit, die Anklageschrift übersetzen zu lassen und durchzuarbeiten. Das Reiseverbot für die Angeklagten ist jedoch nicht aufgehoben.

Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) setzt darauf, dass der Prozess mit Freisprüchen endet. "Wir vertrauen darauf, dass die Prinzipien des Rechtsstaats sich in dem anstehenden Gerichtsverfahren durchsetzen und die Vorwürfe gegen die politischen Stiftungen schnell ausgeräumt werden können", sagte Niebel der "Welt".