Die Linken werden zum Zünglein an der Waage. In Polen ist nach dem ersten Durchgang der Präsidentschaftswahlen noch alles möglich.

Warschau. Die Präsidentenwahl in Polen wird am 4. Juli in einer Stichwahl zwischen dem amtierenden Parlamentspräsidenten Bronislaw Komorowski und seinem national-konservativen Konkurrenten Jaroslaw Kaczynski entschieden. Nach Auszählung fast aller Stimmen lag Regierungskandidat Komorowski am Montagmorgen mit 41,22 Prozent in Führung. Auf Jaroslaw Kaczynski, den Zwillingsbruder des im April bei einem Flugzeugabsturz getöteten Präsidenten Lech Kaczynski, entfielen nach Angaben der Staatlichen Wahlkommission in Warschau 36,74 Prozent. Für einen Wahlsieg im ersten Durchgang wäre die absolute Mehrheit nötig gewesen. Die Wahlbeteiligung lag bei 55 Prozent.

Auf dem dritten Platz in der Wählergunst landete der linke Kandidat Grzegorz Napieralski mit knapp 14 Prozent. Den Anhängern der Linken kommt bei der Stichwahl nun die Rolle des Züngleins an der Waage zu. Ihre Stimmen können den Ausgang der zweiten Runde entscheiden.

Komorowski sagte, er fühle sich nach seinem Etappensieg als Mensch glücklich und erfüllt. „Ich danke und bitte um mehr“, sagte der 58-Jährige in Warschau. Er appellierte an seine Wähler, die Stichwahl im Auge zu behalten. Genau wie im Sport sei die Verlängerung immer am schwierigsten. Vor der Wahl hatten einige Umfragen für Komorowski ein Ergebnis von „50 plus“ ermittelt. „Das Ergebnis fiel geringer als erwartet aus“, kommentierte der Politologe Kazimierz Kik.

Am Sonntag waren insgesamt zehn Kandidaten angetreten, allerdings wurden von Anfang an nur dem Parlamentspräsidenten und dem Bruder des verunglückten Präsidenten Chancen eingeräumt. Vor seinen Anhängern im Wahlstab gab sich Jaroslaw Kaczynski am Wahlabend siegessicher. „Den Schlüssel zum endgültigen Sieg ist unser Glaube, dass wir siegen können“, sagte der 61-jährige Oppositionsführer. „Wir müssen für das Vaterland siegen“, sagte er. „Alles für Polen, weil Polen am wichtigsten ist.“

Kaczynskis Anhänger verweisen auf die Situation vor von fünf Jahren. Im Herbst 2005 hatte Donald Tusk als damaliger Präsidentenbewerber die erste Runde gegen Lech Kaczynski gewonnen. Zwei Wochen später verlor er das Rennen. Damals konnte Kaczynski linke Wähler auf seine Seite ziehen. Auch diesmal warb sein Bruder um die Linke und lobte ihre Ideen für eine Gesundheitsreform. Linken-Kandidat Napieralski wollte sich aber zunächst nicht für die Stichwahl festlegen. Er müsse zunächst seine Wähler fragen, sagte er in einem Fernsehinterview.

Lech Kaczynski war am 10. April bei einem Flugzeugabsturz in Russland ums Leben gekommen. Seitdem führt Komorowski kommissarisch die Geschäfte des Präsidenten. Der kurze Wahlkampf verlief im Zeichen tiefer Trauer. Ursprünglich sollte ein neues Staatsoberhaupt erst im Herbst gewählt werden.

Anders als in Deutschland hat das polnische Staatsoberhaupt laut Verfassung einen wesentlichen Einfluss auf die Sicherheits- und Außenpolitik. Er ist auch der Oberbefehlshaber der Streitkräfte und entscheidet über die militärischen Auslandseinsätze. In der Vergangenheit war es wiederholt zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen Tusks Regierung und Präsident Lech Kaczynski gekommen. Das nationalkonservative Staatsoberhaupt blockierte mehrere Reformprojekte der Regierung mit seinem Veto.