Hamburg. Die Mienen waren starr, viele weinten. Die Zeit stand still am Sonntagmittag in der St.-Joseph-Kirche in der Großen Freiheit auf St. Pauli. Hier treffen sich Hamburgs Polen zum Gottesdienst. Und der Flugzeugabsturz von Smolensk hat eine tiefe Lücke in die polnische Gemeinde der Stadt gerissen. Im Wrack der Tupolew starb der ehemalige Hamburger Generalkonsul Andrzej Kremer (48), einer der prägendsten und geistreichsten Diplomaten seines Landes überhaupt. "Ich kannte Andrzej Kremer seit 14 Jahren. Er war mein erster Vorgesetzter im diplomatischen Dienst. Als Beamter war er ein Vorbild, als Menschen habe ich ihn richtig gemocht", sagte Kremers Nachnachfolger in Hamburg, Andrzej Osiak.

Der Generalkonsul sagte dem Abendblatt: "Als ich die Liste mit den Toten gesehen habe, war ich erschrocken, wie viele ich persönlich kannte." Die Trauer in seiner Heimat sei kaum mit Worten zu fassen. Die Tränen der Menschen sprächen für sich: "Dieser Absturz ist ein schockierendes Erlebnis für alle Polen."

Der verstorbene Ex-Generalkonsul Kremer hinterlässt in Krakau seine Frau Maria und drei Söhne. Zwei von ihnen sind in Hamburg geboren. Kremer war zuletzt Unterstaatssekretär im Außenministerium. Eine Bezeichnung, die nur ungenügend wiedergibt, was er geleistet hat. Zuletzt handelte er auf höchster Ebene den von den USA in Polen geplanten Raketenschild mit Washington aus. Die Außenminister Radoslaw Sikorski und Condoleezza Rice gaben dann ihren Segen dazu.

Kremer hat sich 20 Jahre seines Lebens mit Deutschland beschäftigt. Acht Jahre verbrachte er in Hamburg (1991 bis 1995 und 2001 bis 2005), vier davon als Polens erster Mann an der Alster. 20 000 seiner Landsleute leben in Hamburg, der Hafen ist praktisch Polens westlichster Handelsstandort.

Kremer, der aus der Universitätsstadt Krakau stammt und dort auch Doktor der Rechtswissenschaften wurde, hatte bereits einen Lehrauftrag an der Uni Bochum, ehe er eine große Diplomatenkarriere begann. Im Hintergrund des polnischen Außenamtes, nicht als Politikverkäufer. "Ich mochte auch seinen bissigen Humor", sagte Generalkonsul Osiak über Kremer. Juristische Spitzfindigkeiten, aber auch ein großes Herz für die Annäherung zwischen den Neu-EU-Bürgern in Polen und den lange dominierenden Westeuropäern waren seine Leidenschaften. Als sein Land der Europäischen Union beitrat, lud Kremer voller Stolz Hunderte Hamburger ein, mit ihm zu feiern.

Der Hamburger SPD-Fraktionschef Michael Neumann sagte: "Ich habe Andrzej Kremer in seiner Zeit in Hamburg kennenlernen können. Ich habe ihn und seine aufrichtige und offene Art geschätzt." Kremer habe als Politiker, als Hochschuldozent und als Gesprächspartner seinen Teil zur deutsch-polnischen Aussöhnung beigetragen. "Hamburg hat einen Freund verloren."

Das Kondolenzbuch liegt bis zum nächsten Sonnabend im Generalkonsulat (Steilshoop, Gründgensstraße 20) aus. Von 10 bis 12 und 14 bis 16 Uhr können sich Trauernde dort eintragen.