Der Populist Geert Wilders trumpft bei Parlamentswahl in den Niederlanden auf. Kopf-an-Kopf-Rennen von Liberalen und Sozialdemokraten.

Den Haag. In den Niederlanden sind die Rechtsliberalen und die Sozialdemokraten einer ersten Prognose zufolge mit jeweils 31 Mandaten die Gewinner der Parlamentswahlen. Überraschend stark trumpfte aber die islamfeindliche Partei für die Freiheit (PVV) des Rechtspopulisten Geert Wilders auf. Sie konnte der Prognose zufolge die Zahl ihrer Mandate im 150 Sitze umfassenden Parlament von neun auf 22 steigern. Die regierenden Christdemokraten von Ministerpräsident Jan Peter Balkenende stürzten der vom Rundfunk verbreiteten Schätzung zufolge von 41 auf nur noch 21 Mandate ab. Er trat als Parteichef zurück.

Kurz nach Schließung der Wahllokale um 21 Uhr lieferten sich Sozialdemokraten und Rechtsliberale ein Kopf-an-Kopf-Rennen darum, wer die stärkste Kraft im Parlament wird.

Damit stehen die Niederlande nach der vorgezogenen Parlamentswahl vor einem Regierungswechsel - und vor einem Ruck nach rechts. Wilders' Rechtspopulisten wurden nach den Prognosen drittstärkste politische Kraft im Land. In ihrer Wahlkampfzentrale knallten die Champagnerkorken. Bei der rechtsliberalen Partei für Freiheit und Demokratie (VVD) und ihrem Spitzenkandidaten Mark Rutte machte sich hingegen eine gewisse Betretenheit breit. In den letzten Umfragen vor der Wahl hatte sie noch an der Spitze gelegen.

Zweifel und bange Fragen über die nun offenbar wieder extrem schwierig werdende Regierungsbildung mischten sich auch in die Wahlparty bei den Sozialdemokraten. Alle hatten Wilders, den Mann mit der wasserstoffblonden Haartolle, und sein politisches Programm unterschätzt. Auf Marktplätzen hatte er verkündet, Islamisten aus den Niederlanden ausweisen zu wollen. Burkas und Moscheen sollten verboten werden. Viel besser, als die etablierten Parteien sich eingestehen wollten, kam bei den Wählern offenbar auch Wilders' Slogan an, er mache "Politik für Henk und Ingrid und nicht für Ali und Fatima". Es müsse endlich Schluss damit sein, dass der niederländische Staat jedes Jahr mehr als sieben Milliarden Euro ausgibt, um nicht westliche Immigranten zu unterstützen, hämmerte er seinen Anhängern ein.

Trotz des enormen Stimmenzuwachses für die Rechtspopulisten haben nun die rechtsliberale Partei von Mark Rutte und die Sozialdemokraten die besten Aussichten, den Ministerpräsidenten zu stellen. Der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, Amsterdams Bürgermeister Job Cohen, hatte zuletzt in den Umfragen stark aufgeholt. Die Koalition Balkenendes aus Christdemokraten, Christenunion und Arbeitspartei war im Februar zerbrochen, weil sich die Parteien über den Einsatz in Afghanistan zerstritten hatten.

Sollte der Rechtsliberale Rutte neuer Regierungschef werden, wäre es eine Rückkehr seiner Partei an die Macht nach fast 100 Jahren. Doch Rutte ist genauso wie Cohen auf Bündnisse angewiesen. Angesichts des breiten Parteienspektrums in den Niederlanden kann traditionell kein Wahlsieger allein und zumeist auch nicht mit nur einem Partner regieren.

Staatsverschuldung und Sparzwänge hatten bis zuletzt den Wahlkampf geprägt. Mit der griechischen Haushaltskrise und dem schwachen Euro wuchsen die Chancen für Rutte. Der Urnengang galt daher auch als politischer Stimmungstest in Europa. Es waren die ersten nationalen Wahlen in einem wohlhabenden Land der Euro-Zone seit dem Ausbruch der Schuldenkrise.

Rutte steuerte einen wirtschaftsliberalen und unternehmerfreundlichen Kurs, warb für eisernes Sparen und Steuersenkungen zur Ankurbelung der Wirtschaft. Einsparungen in Höhe von 20 Milliarden Euro will er seinen gut 16 Millionen Landsleuten zumuten. Der Sozialdemokrat Cohen ist das Gegenteil von Populist Wilders. Er spaltet nicht, sondern er versöhnt, er hetzt nicht, sondern er versucht, Ängste zu nehmen. Die Sozialdemokraten wollen an den Sozialausgaben nicht rütteln, die Steuern erhöhen und Einwanderer besser integrieren.

Cohen, der jede Zusammenarbeit mit Wilders ablehnte, richtete seinen Wahlkampf zuletzt vor allem gegen die Rechtsliberalen. Ihnen warf er eine Politik der sozialen Kälte vor. Statt gemeinsam auf Wilders gingen in den letzten Wochen die Favoriten Rutte und Cohen am liebsten gegenseitig aufeinander los. Am Ende schien das Duell sogar ins Schmuddelige abzugleiten. Im Internet tauchte ein auf Rutte gemünztes Satire-Video auf: Ein Schwulenmagazin auf dem Wohnzimmertisch, daneben Bodylotion. In der Küche ein Poster mit den strammen Jungs der - ausgerechnet - deutschen WM-Nationalelf. Dazu die vermeintliche Mutter des Liberalenchefs, die seine Singlebude aufräumt. Angeblich wurde der Clip von den Sozialdemokraten lanciert, um den rechtsliberalen Spitzenkandidaten als homosexuelles, deutschenfreundliches Muttersöhnchen darzustellen.

Profitieren konnte vom Konkurrenzkampf der beiden großen Parteien offenbar vor allem einer - der Populist Geert Wilders.