Bei der Parlamentswahl droht das Aus für Jan Peter Balkenende. Eurokrise stärkt Rechtsliberale

Den Haag. Wie gut, dass Königin Beatrix die vorgezogenen Neuwahlen in den Niederlanden auf den 9. Juni gelegt hatte. Denn in wenigen Tagen werden die meisten Holländer nur noch zur Fußball-Weltmeisterschaft nach Südafrika schauen und darauf hoffen, dass das hoch gelobte Oranje-Team um den Titel mitspielt. Die Wahl im größten der kleinen Länder Europas ist nach dem Bruch der schwarz-roten Koalition im Februar so spannend wie lange nicht mehr: Regierungschef Jan Peter Balkenende (CDA) wird wohl die Wahl verlieren und sich aus der Politik zurückziehen, die Sozialdemokraten (PvdA) setzen mit dem ehemaligen Bürgermeister von Amsterdam, Job Cohen, auf einen landesweit populären Spitzenkandidaten und hoffen, erstmals seit dem Jahr 2002 wieder den Ministerpräsidenten zu stellen.

In den vergangenen Monaten ist aber der außerhalb der Niederlande so gut wie unbekannte Spitzenkandidat der Rechtsliberalen, der 43-jährige Mark Rutte, mit seiner Partei VVD an allen vorbeigezogen und könnte mit knapp 25 Prozent der Stimmen die stärkste Fraktion in der Zweiten Kammer führen. Damit wäre er der aussichtsreichste Kandidat für den Regierungschef - ein Amt, das die Liberalen zuletzt im Jahr 1913 besetzten.

Und dann schauen alle - vor allem im Ausland - auf das Abschneiden des radikalen Islam-Kritikers Geert Wilders, dessen Freiheitspartei (PVV) im Frühjahr in den Umfragen zwischenzeitlich als stärkste Kraft gehandelt wurde. Der Protestpolitiker hat zwar an Zustimmung verloren, wird aber wohl die Zahl seiner Sitze verdoppeln und mit rund zehn Prozent der Stimmen zur viertstärksten Kraft werden. Hinzugewinnen dürften aber auch Linksliberale (D66) und Grüne.

Wie in vielen Ländern Europas sind die niederländischen Wähler unberechenbar geworden. Die Umfragen belegen aber zweifelsohne, dass sich nach wie vor eine wachsende Zahl von Niederländern Sorgen macht über die schlechte Integration vieler Immigranten und eine schleichende Veränderung ihrer liberalen Gesellschaft durch den Einfluss des Islam. Aber in Zeiten der Krise sind den Bürgern Fragen der Wirtschaft und Finanzen wichtiger. Dies ist ein Grund, warum die Rechtsliberalen mit ihrer Wirtschaftskompetenz und einem klaren Sparprogramm ein solches Hoch erleben. Hinzu kommt, dass die Liberalen in vielen Fragen konservativer sind als die Christdemokraten, etwa bei der öffentlichen Sicherheit und der Integration, wo sie ein Verschleierungsverbot fordern.

Dadurch haben sie jene Anhänger von Wilders zurückgeholt, denen der Islam-Kritiker zu radikal geworden ist. Da es keine Fünf-Prozent-Hürde gibt, rechnet man mit einem Parlament von zehn Fraktionen. Deshalb wird es wohl mindestens drei Parteien brauchen, um eine mehrheitsfähige Koalition zustande zu bekommen. Ein Ziel hat sich der Favorit Rutte bereits gesetzt: Sollte er mit der Regierungsbildung beauftragt werden, will er bis zum 1. Juli eine Koalition geschmiedet haben - einen Tag vor dem Viertelfinale der Fußball-WM.