Afghanistans Präsident Karsai hat zum Auftakt der Friedens-Dschirga den Taliban die Hand gereicht. Diese haben mit Anschlägen geantwortet.

Kabul. Der Auftakt der afghanischen „Friedens-Dschirga“ ist am Mittwoch trotz strengster Sicherheitsvorkehrungen von Raketenangriffen und Gefechten überschattet worden. Nur 150 Meter entfernt vom Zelt mit den 1600 Teilnehmern der Ratsversammlung schlug eine Rakete ein. Präsident Hamid Karsai hatte die Versammlung in Kabul kurz zuvor nach einer Ansprache in einem gepanzerten Konvoi verlassen. Eine zweite Rakete explodierte etwas weiter entfernt.

Bereits während Karsais Eröffnungsrede war es zu einer ersten schweren Detonation östlich des Veranstaltungsortes gekommen. Der Präsident rief die Delegierten zur Ruhe auf und setzte seine Ansprache unbeirrt fort. Die Taliban teilten mit, es habe sich auch in diesem Fall um einen Raketenangriff gehandelt. Mindestens zwei weitere Explosionen waren kurz darauf mehrere Kilometer südwestlich des Zeltes zu hören. Dort kam es auch zu Maschinengewehrfeuer, das andauerte. Hubschrauber kreisten über dem Ort der Gefechte.

Der Bildungsminister und Vorsitzende der Dschirga-Kommission, Faruk Wardak, sagte vor den Delegierten, drei Selbstmordattentäter in traditionellen Burka-Gewändern hätten sich in einem Haus in der Nähe des Versammlungsortes verschanzt gehabt. Sie hätten eine Panzerfaust abgeschossen. Zwei der Angreifer seien getötet, der dritte festgenommen worden. „Die Lage ist hundertprozentig unter Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte.“

Karsai appellierte in seiner Eröffnungsrede an die Taliban, die Waffen niederzulegen. „Ich rufe Dich wieder dazu auf, mein Bruder, mein lieber Talib, kehre zurück. Dies ist Dein Land.“ Gespräche mit dem Terrornetz al-Qaida schloss Karsai aus. Den Forderungen der Taliban, vor Verhandlungen müssten die ausländischen Truppen Afghanistan verlassen, erteilte der Präsident eine klare Absage.

An die Adresse der Delegierten gewandt sagte Karsai, er hoffe, dass sie nach den drei Verhandlungstagen eine hoffnungsvolle Nachricht an das Volk hätten. „Die afghanische Nation wartet auf Ihre Vorschläge, wie Frieden nach Afghanistan gebracht werden kann.“ Es gehe darum, Sicherheit zu schaffen und zugleich die Freundschaft mit der Staatengemeinschaft zu erhalten.

Der UN-Sondergesandte in Afghanistan, Staffan de Mistura, sagte, den Taliban werde es mit ihren Angriffen nicht gelingen, die Dschirga zum Entgleisen zu bringen. Sein Stellvertreter, der Deutsche Martin Kobler, sagte, die Friedens-Dschirga sei „ein Vehikel, der Regierung Legitimität zu geben, um Kontakte zu den Aufständischen aufzunehmen“.

Die Delegierten wollen in Kabul den Grundstein für eine Aussöhnung mit den Taliban legen. Die Ratsversammlung ist für drei Tage angesetzt. Karsai hat die Aussöhnung mit den Taliban zur wichtigsten Aufgabe seiner zweiten Amtszeit erklärt und die Versammlung einberufen. Die Taliban lehnen die Dschirga strikt ab. Nach Angaben des Innenministeriums sind wegen der Dschirga 12 000 zusätzliche Sicherheitskräfte in Kabul eingesetzt. Afghanische Soldaten und Polizisten werden von der Internationalen Schutztruppe ISAF unterstützt.

Zur Dschirga hat die Regierung den Entwurf eines „Friedens- und Reintegrationsprogramms“ (APRP) erarbeitet, das mit der internationalen Gemeinschaft abgestimmt wurde. Einfachen Kämpfern soll dem 36-seitigen Papier zufolge Straffreiheit zugesichert werden, wenn sie die Waffen niederlegen und die Verfassung anerkennen. Anführern des radikal-islamischen Aufstands könnte unter anderem der Gang ins Exil angeboten werden, wenn sie sich von al-Qaida lossagen.

Die Taliban nehmen an der Ratsversammlung nicht teil. Sie kritisieren, das Treffen diene lediglich dazu, unrealistische Pläne abzusegnen. Die Teilnehmer der Konferenz stünden im Sold der Invasoren und dienten ihren eigenen Interessen, hieß es in einer am Dienstag von den Taliban verbreiteten Erklärung. In der vergangenen Woche hatten sie in einer Botschaft allen Teilnehmern mit dem Tod gedroht.