Die Taliban nehmen nun auch das Mobilfunknetz in Kundus ins Visier: Aus Furcht, durch Handysignale aufgespürt zu werden, ließen sie es abschalten.

Die radikalislamischen Taliban haben am nordafghanischen Bundeswehr-Standort Kundus die Abschaltung des Mobilfunknetzes während der Nacht erzwungen. Die Aufständischen gaben als Grund an, ihre Kämpfer davor schützen zu wollen, dass Sicherheitskräfte sie mittels Handysignalen orten können. Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid sagte, man wolle den Plan der „Feinde Afghanistans und der Besatzer“ vereiteln, Aufständische durch Handysignale zu orten. „Weil das Risiko nachts höher ist, haben wir die Telefonfirmen gebeten, zu kooperieren und ihre Signale von der Abenddämmerung bis zum Tagesanbruch abzuschalten.“

Die meisten Afghanen haben kein Festnetztelefon, sondern nutzen Handys. Die Mobilfunkbranche ist einer der erfolgreichsten Wirtschaftszweige in Afghanistan. Vertreter führender Mobilfunk-Anbieter sagten, sie hätten sich der Forderung der Aufständischen beugen müssen. Anwohner bestätigten, dass die Netze aller vier Anbieter in der Region in der Nacht zu Donnerstag in der gesamten Provinz abgeschaltet waren. Die Bundeswehr in Kundus kann über eigene Satelliten-Netze telefonieren.

Die Firmen schalteten die Netze bereits vor mehreren Tagen ab, nachdem die Taliban insgesamt vier Sendemasten in Kundus-Stadt und in den Unruhedistrikten Char Darah sowie Dascht-e-Archi zerstörten. In südlichen Regionen hatten die Taliban bereits vor gut zwei Jahren vorübergehend die Abschaltung des Mobilfunknetzes erzwungen, nachdem sie auch dort Sendemasten sprengten.

„Wir sind Telefonunternehmen und keine Sicherheitsfirmen“, sagte ein Mitarbeiter eines Mobilfunk-Anbieters, der ungenannt bleiben wollte, der Nachrichtenagentur dpa. „Wenn die Regierung unsere Mitarbeiter und unsere Einrichtungen nicht schützen kann, haben wir keine Wahl, als ihren Forderungen (der Taliban) zu folgen.“

Ein Mitarbeiter eines anderen Anbieters sagte, alle großen Mobilfunk-Unternehmen seien übereingekommen, dort, wo die Taliban dies verlangen, das Netz abzuschalten. „Eine Sendemast mit den notwendigen Geräten kostet fast eine halbe Million Dollar, aber für uns ist das Leben unserer Mitarbeiter noch wichtiger, das auf dem Spiel steht.“

Unterdessen wurde bekannt, dass die afghanische Regierung im Gegenzug für einen Friedenspakt den Anführern der Taliban den Gang ins Exil ermöglichen. Wie der britische „Guardian“ am Donnerstag berichtete, soll dieser Plan bei einer Friedenskonferenz mit Stammesführern Ende Mai vorgestellt werden. Der Vorschlag werde auch bei einem Treffen zwischen Afghanistans Präsident Hamid Karsai und US-Präsident Barack Obama kommenden Mittwoch in Washington zur Sprache kommen.

Dem „Guardian“ liegt ein Dokument der afghanischen Regierung vor, wonach Taliban-Führer im Fall einer Friedenseinigung in Drittländer wie Saudi-Arabien ausreisen könnten. Der Plan sehe außerdem Programme zur Wiedereingliederung der Taliban in die afghanische Gesellschaft vor. Kämpfer der Rebellen sollten in „Deradikalisierungs-Klassen“ umerzogen und anschließend mit handwerklichen Jobs beschäftigt werden. Taliban, die freiwillig die Waffen niederlegen, könnten dem Vorhaben zufolge in den Genuss von Straffreiheit kommen. Karsai hatte bereits auf der internationalen Afghanistan-Konferenz im Januar in London für eine Wiedereingliederung der Taliban geworben.