Ministerpräsident Erdogan zeigte sich entrüstet über die jüngsten Völkermord-Resolutionen und droht 100.000 Armeniern mit Ausweisung.

Hamburg. Die Entrüstung der türkischen Regierung über die jüngsten Völkermord-Resolutionen im Auswärtigen Ausschuss des US-Repräsentantenhauses und im schwedischen Reichstag hat sich offensichtlich noch nicht gelegt. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan drohte in einem Interview, das er dem türkischsprachigen Dienst des britischen Nachrichtensenders BBC gab, mit der Ausweisung von bis zu 100.000 Armeniern aus der Türkei. "Derzeit leben 170.000 Armenier in unserem Land. Davon sind 70.000 meine Bürger, die anderen 100.000 sind nur zeitweise in unserem Land", so Erdogan. "Was werde ich machen? Wenn es nötig ist, sage ich diesen 100.000: Los, zurück in euer Land! Das werde ich machen. Warum? Sie sind nicht meine Bürger. Ich muss sie nicht in meinem Land dulden", berichteten gestern türkische Medien.

In den vergangenen zwei Wochen hatten sowohl der US-Kongressausschuss als auch das schwedische Parlament den Genozid an den Armeniern 1915/16 im Osmanischen Reich als Völkermord gebrandmarkt. Die Türkei reagierte prompt und zog ihre Botschafter aus beiden Ländern zurück.

Die Beziehungen Ankaras zu Schweden und den USA sind gegenwärtig belastet. Mehrere türkische Minister haben lange geplante Reisen nach Washington abgesagt. Auch der türkische Botschafter in den USA, Namik Tan, werde frühestens nach dem 24. April auf seinen Posten zurückkehren. Jedes Jahr am 24. April gedenken Armenier auf der ganzen Welt an die Opfer des Genozids. Traditionell steht an diesem Tag auch die US-Regierung unter Druck, den Völkermord anzuerkennen. Zu den jüngsten Resolutionen sagte Erdogan, diese würden vor allem Armenien schaden. Das BBC-Interview löste heftige Reaktionen aus, auch unter türkischen Bürgern. Vor allem die englische Übersetzung, nach der Ausweisung "Deportation" heißt, erinnerte an die Deportationen von Armeniern 1915/16 in die syrische Wüste. Hunderttausende starben dabei an Hunger und Krankheiten.