In Nigeria haben Muslime nahe Jos 500 Christen getötet. Doch bei dem Konflikt geht es weniger um Religion, als vielmehr um Wasser und Weideland.

Hamburg/Lagos. Es gibt auch Hoffnung. Etwa 70 Christen und Muslime trafen sich kürzlich im Nordosten Nigerias. Sie saßen in einem Konferenzraum einer kleinen Kirche im Ort Kwarhi, die Wände aus Beton, das Dach aus Wellblech. Imame und Pfarrer waren dort, auch Studenten und Jugendliche beider Glaubensrichtungen, es liefen religiöse Lieder aus einem CD-Spieler. Sie berieten darüber, wie sie gemeinsam verhindern können, dass ihr Land entlang der Religion zerrissen wird - in einem blutigen Kampf um Land, Ressourcen und Rechte.

Denn wieder gab es Tote, wieder war es ein Massaker. Die Täter kamen in der Nacht, mit Gewehren und Macheten. Einige riefen: "Allah ist groß!" Sie töteten etwa 500 Menschen. Überwiegend Christen. Genaue Opferzahlen kennt niemand. Es soll 95 Festnahmen gegeben haben. Einige nigerianische Medien sprechen von einem Racheakte. Denn erst vor wenigen Wochen endeten heftige Unruhen zwischen Christen und Muslimen ebenfalls mit mehreren Hundert Toten, die meisten von ihnen Muslime.

Gewalt zwischen den Religionen flammt seit dem Ende der Militärdiktatur 1999 immer wieder auf - die Spuren dieser Massaker führen nach Jos. In die Stadt, die viel darüber verrät, wie Religion als Brandbeschleuniger für blutige Unruhen und Gewalt in Afrika missbraucht wird. Eine halbe Million Menschen leben in Jos. "Nach den letzten Unruhen im Januar patrouilliert Polizei und Militär, es gibt an vielen Straßenecken Checkpoints, nachts ist Ausgangssperre", sagt Jochen Kirsch. Er ist Pfarrer der evangelischen Kirche der Pfalz und war bei den Unruhen im Januar gerade für das christliche Hilfswerk Mission 21 in Nigeria.

Christen und Muslime machen Jos zur Frontstadt - zu einer Bastion mitten im Land, an der Grenze zwischen dem christlichen Süden und dem muslimisch geprägten Norden Nigerias, wo die Scharia gilt. "Doch es ist kein Konflikt zwischen den Religionen - und kein Religionskrieg", sagt Kirsch. Religion diene den Scharfmachern als Vorwand für Gewalt gegen die andere Ethnie. "Hinter scheinbar religiösen Konflikten steht der Kampf um politische und wirtschaftliche Macht", sagt Pfarrer Kirsch. Der Kampf um Arbeit, Land, Nahrung.

Drei Ortschaften etwas außerhalb von Jos waren jetzt Ziel des Angriffs. Dort leben überwiegend Angehörige der christlichen Berom-Ethnie. Die Angreifer sollen laut örtlicher Behörden muslimische Fulani sein. Die Berom sind sesshafte Bauern, die Fulani nomadisch lebende Viehzüchter. Die Quellen des Konflikts sind Wasser, Weideland und Acker. Bleibt der wirtschaftliche Erfolg aus, haben religiöse Fanatiker ein leichtes Spiel: Sündenbock ist die andere Gruppe. "Misstrauen und Verbitterung auf beiden Seiten wachsen", sagt Kirsch.

Hinzu kommt, dass die politische Führung des bevölkerungsreichsten Staates Afrikas über Monate kopflos und handlungsunfähig war. Der Präsident Umaru Yar'Adua hat sich schwer krank nach Saudi-Arabien abgesetzt. Vizepräsident Goodluck Jonathan ist mittlerweile neues Staatsoberhaupt - doch auch er konnte die Sicherheit im Land nicht stabilisieren. Er regiert in einer Zeit, in der im ölreichen Nigerdelta die wichtigste Rebellengruppe den Waffenstillstand aufkündigte. Im Norden des Landes nehmen radikale Islamisten an Einfluss zu. Sogar das Terrornetzwerk al-Qaida hat den Islamisten in Jos Anfang Februar seine Unterstützung angekündigt.

Matthias Basedau vom GIGA-Institut für Afrika-Studien hält ein Ende der Massaker für unwahrscheinlich. Und doch sagt er: "Ich rechne aber nicht mit einem landesweiten Bürgerkrieg."