Die Gewalt zwischen Christen und Muslimen in Nigeria hat mit einem Massaker einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Lage bleibt angespannt.

Jos/Lagos. „Die Menschen wurden mit Äxten, Dolchen und Macheten angegriffen - viele von ihnen Kinder, Alte und schwangere Frauen“, erklärte ein Sprecher der nigerianischen Regierung nach dem nächtlichen Massaker in drei Dörfern. Mehr als 200 Menschen würden im Krankenhaus von Jos behandelt, der Hauptstadt des zentralen Bundesstaates Plateau. In den drei Dörfern seien binnen drei Stunden mehr als 500 Menschen getötet worden, die Überlebenden würden jetzt ihre Toten begraben.

Und die Lage in der nigerianischen Unruheregion ist nach Angaben des Roten Kreuzes weiterhin angespannt. Nach den blutigen Kämpfen seien die Krankenhäuser an ihrer Kapazitätsgrenze, aber noch immer würden Verletzte eingeliefert. Unterdessen habe die Regierung Streitkräfte zu Patrouillen entsandt. Zahlen von Hunderten Toten wollte der Sprecher nicht bestätigen.

Mit dem Massaker hat die Gewalt zwischen Christen und Muslimen in Nigeria einen traurigen Höhepunkt erreicht. Mehr als 500 Christen wurden mit Macheten oder Äxten getötet und anschließend verbrannt, wie die Behörden mitteilten. Mindestens 70 Häuser sollen demnach in Flammen aufgegangen sein.

Ein Sprecher des Gouverneurs von Plateau, Dan Manjang, machte Hirten des muslimischen Nomadenvolks der Fulani für die Attacken verantwortlich. Die Behörden hätten 95 Menschen festgenommen. Einem Pressebericht zufolge waren es 300 bis 500 Angreifer.

Die Ausschreitungen ereignen sich in einem innenpolitisch sensiblen Moment für Nigeria. Derzeit wird das Land von dem christlichen Vizepräsidenten Jonathan Godluck geführt, der den erkrankten muslimischen Präsidenten Umaru Yar'Adua vertritt. In dem bevölkerungsreichsten afrikanischen Staat mit 149 Millionen Einwohnern gehören 50 Prozent – mehrheitlich im Norden – dem Islam an, 40 Prozent christlichen Konfessionen. Zehn Prozent sind Anhänger von Naturreligionen.

Nach Angaben von Überlebenden aus dem Dorf Dogo Nahawa stürmten die Angreifer mitten in der Nacht zum Sonntag die Ortschaft, brannten die Hütten nieder und töteten die Einwohner auf brutalste Weise. Flüchtende Dorfbewohner hätten sich in Tierfallen und Fischernetzen verfangen, die von den Angreifern aufgestellt worden seien.

Zeitungen berichteten unter Berufung auf Augenzeugen, dass die muslimischen Bewohner per SMS vor dem dreistündigen Massaker gewarnt worden seien. Der Menschenrechtler Shamaki Gad Peter sprach nach einem Besuch in den drei Dörfern von einem „gut koordinierten Angriff“. Das Ausmaß der Zerstörung sei „enorm“, sagte er.

Die Vereinigung der christlichen Stammesältesten in Plateau empörte sich, die Armee sei erst zwei Stunden nach dem Hilferuf der Bewohner von Dogo Nahawa eingetroffen. Zu diesem Zeitpunkt seien die Angreifer bereits wieder verschwunden gewesen. Die Regierung versetzte nach dem Angriff alle Sicherheitskräfte in Plateau und den angrenzenden Bundesstaaten in Alarmbereitschaft.

Der Menschenrechtler Shehu Sani bezeichnete das Massaker als Vergeltung für die religiös motivierte Gewalt in Jos, durch die im Januar mehr als 300 Menschen starben, die meisten von ihnen Muslime. Die Region um Jos liegt an der Nahtstelle zwischen dem mehrheitlich muslimischen Norden und dem christlich-animistisch geprägten Süden Nigerias und wird immer wieder von Zusammenstößen zwischen Christen und Muslimen erschüttert.

Politiker und Kirchenvertreter äußerten sich besorgt über die Unruhen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) rief zu Besonnenheit auf. „Die freie Ausübung der Religion ist ein elementares Grundrecht“, betonte er in einer ersten Reaktion. Laut Vatikansprecher Federico Lombardi geht es bei dem Konflikt „nicht um religiöse, sondern um soziale Auseinandersetzungen“. Die gleiche Einschätzung gab der nigerianische Erzbischof John Olorunfemi Onaiyekan in Radio Vatikan. Der Leiter des Hauptstadtbistums Abuja nannte den blutigen Überfall einen „klassischen Konflikt zwischen Hirten und Bauern, nur dass die Fulani alle Muslime sind und die Berom alle Christen“.

Laut Onaiyekan entzündeten sich die jüngsten Ausschreitungen an einem Streit über die territoriale Vorherrschaft. Die Fulani seien zwar in weiten Teilen Nigerias als wandernde Viehhirten unterwegs, erhöben aber in der Region um Jos Ansprüche auf das Land. Dabei gehe es um „soziale, wirtschaftliche, stammesmäßige und kulturelle Forderungen“.

Der Regierung in Abuja warf der der Erzbischof Schwäche vor. Sie habe offenbar nicht die Fähigkeit, ihrer Pflicht zu entsprechen und Sicherheit für alle zu garantieren. Die Kirche wolle sich weiterhin für gute Beziehungen zum Islam einsetzen. Dabei suche sie auch den Schulterschluss mit Muslimen, um die Gewalt zu beenden und sich gemeinsam zur Lösung der ethnischen und politischen Probleme einzusetzen, so Onaiyekan.

Clinton fordert Bestrafung für Massaker in Nigeria

US-Außenministerin Hillary Clinton hat die nigerianische Regierung unterdessen zu einer Aufklärung der Massaker an Christen und zu einer Bestrafung der Täter aufgerufen. Die Regierung müsse dafür sorgen, „dass die Verantwortlichen für die Gewalt zur Rechenschaft gezogen werden und die Menschenrechte geachtet werden“, sagte Clinton in Washington. „Wir rufen alle Parteien dringend auf, sich zurückzuhalten und einen konstruktiven Ausweg aus dem Kreislauf der Gewalt zu suchen.“

Mit einem nächtlichen Massaker mit hunderten Toten hatte die Gewalt zwischen Christen und Muslimen in Nigeria am Wochenende einen traurigen Höhepunkt erreicht. In drei Dörfern wurden mehr als 500 Christen mit Macheten oder Äxten getötet und anschließend verbrannt, wie die nigerianischen Behörden mitteilten.