Barack Obama trifft heute den Dalai Lama und riskiert einen Streit mit China: Das religiöse Oberhaupt der Tibeter gilt dort als gefährlicher Separatist.

Hamburg/Washington. Im vergangenen Oktober hatte US-Präsident Barack Obama zum Entsetzen der Republikanischen Partei sowie aller Tibeter und ihrer Unterstützer den Dalai Lama aus dem Weißen Haus ausgesperrt. Zum ersten Mal seit 18 Jahren hatte das geistliche Oberhaupt der Tibeter einen Washington-Besuch ohne ein Gespräch mit dem amerikanischen Präsidenten absolvieren müssen.

Obama hatte einen entschiedenen Kurs der Annäherung an Peking gesteuert - in dem Wissen, dass die USA mit fast einer Billion Dollar bei den Chinesen in der Kreide stehen und dass man Pekings Unterstützung etwa bei der Handhabung der Iran-Krise benötigen würde. Kritiker dieses "Kuschel-Kurses" hatte es reichlich gegeben - und die Entwicklung hat ihnen recht gegeben. China hat Obamas Charme-Offensive nicht honoriert. Im Gegenteil: Auf dem Klimagipfel in Kopenhagen im Dezember brüskierte und demütigte die chinesische Delegation den US-Präsidenten in bislang kaum gekannter Weise.

Barack Obama hat nun eine Kehrtwende vollzogen. Er hat Taiwan, das von Peking als abtrünnige Provinz betrachtet wird, Waffenlieferungen im Wert von sechs Milliarden Dollar zugesagt. Und er wird heute den Dalai Lama treffen, der von den Chinesen als gefährlicher Separatist eingestuft wird. Der Dalai Lama fordert für Tibet, das 1950 von der Volksbefreiungsarmee eingenommen und ein Jahr später von Peking annektiert worden war, eine größere Autonomie.

Der Besuch im Weißen Haus dürfte die Chinesen erzürnen. Sie hatten Obama vor Wochenfrist untersagen wollen, den seit 1959 im indischen Exil lebenden Tibeter zu empfangen. Ein taktischer Fehler - damit hätte der amerikanische Präsident als eine Art Befehlsempfänger der Pekinger Kommunisten dagestanden. Doch Obama gibt mitten in der Konfrontation ein subtiles Signal, dass er nicht an einer weiteren Eskalation interessiert ist. Voraussichtlich wird er den Dalai Lama nämlich nicht in seinem Amtszimmer, dem Oval Office, empfangen, sondern in dem protokollarisch weit niedriger rangierenden Map Room, wo Kriegspräsident Franklin Delano Roosevelt einst auf Karten (Maps) den Frontverlauf im Zweiten Weltkrieg studierte. Auch soll die Presse bei dem Gespräch nicht zugegen sein.

Peking wiederum verzichtete gestern darauf, dem 97.000 Tonnen verdrängenden Flugzeugträger "USS Nimitz" mit seinen 5680 Mann an Bord den Besuch in der früheren britischen Kronkolonie Hongkong zu verwehren. Entgegen den Gepflogenheiten wollten chinesische Militärs dem Träger aber keinen Besuch abstatten, berichtete die „South China Morning Post“. Der Flugzeugträger und vier Begleitschiffe waren kurz zuvor zu einem viertägigen Besuch in der früheren britischen Kronkolonie eingetroffen.

Doch immerhin droht Peking damit, Sanktionen gegen amerikanische Unternehmen zu verhängen. Und die US-Regierung ist nun bereit, Reizthemen auch öffentlich zu diskutieren, die man früher eher auf diplomatischen Kanälen behandelt hat. Als da unter anderem sind: Menschenrechtsfragen, Währungsmanipulationen der Chinesen zugunsten der eigenen Exportwirtschaft, Meinungsfreiheit im Internet oder chinesische Hacker-Angriffe auf westliche Einrichtungen.