Er soll “Irans schlimmster Feind“ sein: Mossad-Chef Meir Dagan gilt als Drahtzieher von rätselhaften Unfällen iranischer Nuklear-Experten.

Hamburg. An Bord eines Fischerbootes kam die Handvoll bewaffneter Palästinenser nach Gaza - zu einem Treffen mit Kämpfern der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO. Wenig später waren alle PLO-Milizionäre tot. Die vermeintlichen Waffenbrüder gehörten zur israelischen Eliteeinheit Sayeret Rimon. Und ihr damaliger Kommandeur war ein Offizier namens Meir Dagan. Tötungs-Einsätze wie jenen hat er wohl viele erlebt.

Seit 2002 ist er Chef des Auslandsgeheimdienstes Mossad und hat den legendären Dienst inzwischen fast ausschließlich auf ein einziges Ziel ausgerichtet: die Verhinderung der iranischen Atombombe mit allen Mitteln. Der 64-jährige Memune ("Erster unter Gleichen", wie der Mossad-Chef traditionell genannt wird) ist der "Rückenwind" hinter der unbeugsamen Position von Premier Benjamin Netanjahu.

Dagan, "Irans schlimmster Feind", wie das US-Magazin "Newsweek" schrieb, gilt als mächtigster Mossad-Chef der israelischen Geschichte und als Drahtzieher einer Serie von rätselhaften Unfällen, Flugzeugabstürzen und dem spurlosen Verschwinden iranischer Nuklear-Experten, die das Teheraner Atomprogramm in den letzten Jahren behinderten.

Spätestens nachdem die Londoner "Times" in dieser Woche brisante iranische Dokumente enthüllt hatte, wachsen die Zweifel daran, dass Teherans nukleare Ambitionen zivilen Zwecken dienen. Aus diesen Dokumenten geht hervor, dass Iran ein Vierjahresprogramm zum Test von Neutronen-Initiatoren aufgelegt hat. Diese Geräte sind Schlüsselkomponenten bei der Zündung von Atombomben. Die "Times" zitierte einen US-Regierungsbeamten mit dem Satz: Da offenbar an einem Zündmechanismus gearbeitet wurde, verleihe dies dem Drängen nach verschärften Sanktionen neue Dringlichkeit.

Meir Dagan, geboren als Meir Huberman in Sibirien, hat das Budget des Mossad und damit seine Operationsmöglichkeiten erheblich erweitert. Mit zum Teil rüden Methoden soll der Memune den anderen beiden israelischen Diensten, dem Inlandsgeheimdienst Shin Beth (Shabak) sowie dem Militärgeheimdienst Aman, die staatlichen Ressourcen abgegraben haben. Manchen Israelis ist Dagans Macht inzwischen unheimlich, doch die meisten schätzen seinen Kampf um Israels Sicherheit im Schattenreich der Geheimdienste. Seine Agenten schickt Dagan vor allem gegen die vom Iran unterstützten Terrorgruppen Hamas, Hisbollah und Islamischer Dschihad. Die Ermordung des Hisbollah-Terrorchefs Imad Mugnijeh in Damaskus 2008, die kürzliche Entdeckung einer zweiten Atomanlage in der iranischen Stadt Ghom sowie die Enttarnung und Bombardierung einer Nuklearfabrik in Syrien - all dies sollen Erfolge des Mossad sein. Die weitgehende Konzentration auf den Iran und seine Verbündeten begründete Dagan mit den Worten: "Wenn wir weiterhin so tun, als könnten wir alles erreichen, werden wir gar nichts ereichen".

Die Zeit drängt. Dagans Rivale beim Militärgeheimdienst Aman, Generalmajor Amos Yadlin, sagte jetzt in Tel Aviv, der Iran habe bereits 1,7 Tonnen niedrig angereichertes Uran in der Anlage Natans hergestellt - genug für eine Bombe. Zudem seien die Iraner dicht daran, die nukleare Waffentechnologie zu beherrschen.

Die israelische Zeitung "Haaretz" berichtete gestern, US-Präsident Barack Obama habe bei seinem Besuch in China vor einem Monat seinen Amtskollegen Hu Jintao gewarnt, er werde die Israelis nicht mehr lange davon zurückhalten können, die iranischen Atomanlagen zu bombardieren. Die Chinesen sperren sich gegen harte Sanktionen gegen den Iran. Obamas schärfste politische Waffe im Konflikt mit dem hartleibigen Mullah-Regime ist Staatssekretär Stuart Levey, ein kaum bekannter Mann im Westen, aber ein gefürchteter in Teheran. Levey ist nach Verteidigungsminister Robert Gates das höchstrangige Mitglied der Bush-Administration, das von Obama übernommen wurde. Obama habe Levey lange in der Hinterhand gehalten, schrieb "Newsweek"; inzwischen aber die Geduld mit dem Iran verloren. Jetzt schlägt die Stunde von Levey, der bereits Dutzende von Banken und Unternehmen weltweit aufgesucht hat, um ihnen mit unausgesprochener Drohung "die Risiken von Geschäften mit dem Iran" aufzuzeigen. Falls Teheran nicht einlenkt, soll ihm der wirtschaftliche Hahn abgedreht werden.