Am 1. Dezember könnte die Europäische Union ihre neue Verfassung haben. Jetzt ist der EU-kritische Präsident Vaclav Klaus am Zug.

Prag. Das tschechische Verfassungsgericht hat grünes Licht für die EU-Reform gegeben. Die Richter in Brno (Brünn) wiesen eine Beschwerde gegen den Vertrag von Lissabon ab. Die Entscheidung war international mit großer Spannung erwartet worden.

Jetzt ist der EU-kritische tschechische Präsident Vaclav Klaus am Zug, mit seiner Unterschrift das Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags in allen Mitgliedstaaten der EU zu ermöglichen. Nach dem positiven zweiten Referendum in Irland ist Tschechien das letzte der 27 EU-Länder, das den Vertrag noch nicht ratifiziert hat.

Nach Zugeständnissen aus Brüssel hatte Klaus zuletzt nur noch die ausstehende Entscheidung des Verfassungsgerichts als Grund für seine Weigerung genannt, den Vertrag zu unterzeichnen. In Prag blieb zunächst offen, ob Klaus das Abkommen noch am Dienstag vor einer USA-Reise ratifiziert oder erst nach seiner für Sonntag erwarteten Rückkehr nach Tschechien. Der Lissabon-Vertrag tritt zum Monatsersten in Kraft, sobald die Ratifizierungsurkunden von allen 27 EU-Mitgliedstaaten in Rom hinterlegt sind. Das könnte nun zum 1. Dezember geschehen.

Das Verfassungsgericht befand, dass der Reformvertrag nicht gegen geltendes nationales Recht verstößt. 17 EU-kritische Senatsabgeordnete hatten das Gericht angerufen, da nach ihrer Ansicht der Vertrag die tschechische Verfassung etwa durch die Übertragung von nationalen Kompetenzen an Brüssel verletzt. Ihre Forderung, zusätzlich die EU-Verträge von Rom und Maastricht zu überprüfen, wiesen die Richter grundsätzlich zurück. Das Gericht bezog sich in seiner Begründung auch auf sein Urteil vom November 2008, als sie bereits eine erste Klage gegen den Lissabon-Vertrag abgelehnt hatten.

Klaus hatte zuletzt für Tschechien ein Aussetzen der EU-Grundrechtecharta durchgesetzt, um sein Land vor Rückgabeforderungen von Vertriebenen zu schützen. Polen und Großbritannien hatten zuvor ähnliche Ausnahmen für die dem Lissabon-Vertrag angehängte Charta erreicht. Klaus wollte mit seinen Einwänden die umstrittenen Benes-Dekrete, auf deren Grundlage Hunderttausende Deutsche nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben und enteignet wurden, juristisch absichern. (dpa)