Er bombardierte das Gericht mit Eingaben, klagt aber über zu wenig Vorbereitungszeit. Karadzic will das Haager Tribunal lächerlich machen.

Den Haag/Hamburg. Der Kriegsverbrecherprozess gegen den früheren bosnisch-serbischen Führer Radovan Karadzic (64) ist vor dem Haager Tribunal kurz nach Beginn vertagt worden. Der Angeklagte boykottierte die Verhandlung und erschien nicht. Richter O-Gon Kwon setzte den Prozess nach 15 Minuten aus und erklärte, er werde am Dienstagnachmittag mit der Eröffnungserklärung der Anklage fortgesetzt. Es wird erwartet, dass dies rund zwei Tage dauert.

Karadzic hatte seinen Boykott bereits vorher angekündigt und damit begründet, er habe nicht genug Zeit zur Vorbereitung erhalten. Das klingt absurd, denn er hat mehrere hundert Eingaben an das Gericht gemacht. Er verteidigt sich selbst, einen Anwalt hat er nicht genommen. In einem Brief erklärte er, ihm hätten mindestens zwei Jahre Vorbereitungszeit zugestanden. Er soll sich in der kommenden Woche äußern können. Wie das Verfahren weitergeht, wenn Karadzic die Sitzungen weiter boykottiert, war zunächst nicht klar. Anklägerin Hildegard Uertz-Retzlaff forderte die Richter auf, einen Verteidiger für Karadzic notfalls auch gegen dessen Willen zu ernennen, damit er den Prozess nicht dauerhaft aufhalten könne.

Karadzic muss sich in elf Anklagepunkten wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnien-Krieges verantworten. Zu den Gräueltaten, die ihm zur Last gelegt werden, zählt das Massaker von Srebrenica, bei dem 1995 rund 8000 muslimische Männern und Jungen ermordet wurden.

Karadzic gehörte zu den zentralen Figuren der Kriege auf dem Balkan, die nach dem Auseinanderbrechen Jugoslawiens begannen. Der Prozess gegen ihn ist der wohl wichtigste seit dem Verfahren gegen seinen früheren Mentor, den früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic, der 2006 noch vor dem Urteil in der Haft starb. Karadzic war 13 Jahre auf der Flucht. Er hat sich als unschuldig bezeichnet. Bei einer Verurteilung droht ihm lebenslange Haft.

Mit Karadzic wollte das Tribunal eigentlich auch dessen früheren Militärchef Ratko Mladic anklagen, der aber weiter auf der Flucht ist. Er ist einer von nur noch zwei Verdächtigen, die vom Tribunal gesucht werden. Der andere ist der frühere Führer der serbischen Rebellen in Kroatien, Goran Hadzic.

Auf die Vertagung des Prozesses reagierten viele im Gericht Anwesende, unter denen zahlreiche Überlebende des Krieges waren, mit Unverständnis. Admira Fazlic, die in einem bosnisch-serbischen Lager interniert war, schüttelte den Kopf. „Wir sind entsetzt. Er macht sich über alle lustig“, sagte sie über Karadzic. Vor allem für die Überlebenden serbischer Gräueltaten ist das Verfahren von großer Bedeutung. Dem Krieg in Bosnien-Herzegowina fielen mehr als 100 000 Menschen zum Opfer. Die meisten wurden Opfer bosnisch-serbischer Angriffe. (AP/HA)