Im Beisein von Kommissionspräsident Barroso unterschrieb Kaczynski das Abkommen von Lissabon. Es fehlt noch die Unterschrift der Tschechien.

Warschau. Als vorletzter der 27 EU-Mitgliedstaaten hat Polen den Reformvertrag von Lissabon ratifiziert. „Heute ist ein sehr wichtiger Tag in der Geschichte Polens und der Europäischen Union“, sagte Polens Präsident Lech Kaczynski, bevor er am Sonnabend das Vertragswerk unterschrieb. Damit das Regelwerk in Kraft treten kann, muss nur noch der europaskeptische tschechische Präsident Vaclav Klaus das Dokument unterzeichnen.

Die Iren hätten mit ihrem Ja den Vertrag „wiederbelebt“, daher gebe es nun keine Hindernisse mehr, ihn zu ratifizieren, sagte Kaczynski im Präsidentenpalast in Warschau. Irland hatte am vergangenen Wochenende in einem zweiten Referendum für den Lissabon-Vertrag gestimmt. Kaczynski hatte seine Unterschrift vom Ausgang des Referendums abhängig gemacht. Das polnische Parlament dem Vertragswerk bereits im April 2008 zugestimmt.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) äußerte sich „erfreut“ über den „vorletzten Meilenstein“ für das Inkrafttreten des Vertrags. Polen und Deutschland würden „als enge Partner und Freunde“ auch in Zukunft ein „starkes Europa“ vorantreiben, für das der Lissabon-Vertrag die Grundlage sei, hieß es in einer vom Auswärtigen Amt verbreiteten Mitteilung. Er hoffe zudem, dass nun auch in Tschechien der Weg für die Ratifizierung frei werde, erklärte Steinmeier.

An der Zeremonie in Prag nahmen auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek und Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt teil, dessen Land derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat. Bei der Unterzeichnung sorgte Kaczynski kurzzeitig für Schmunzeln, weil ihm im entscheidenden Moment der Unterzeichnung die Tinte in seinem Füller ausging.

Kaczynski habe ein „wichtiges Kapitel für Polen und die EU“ besiegelt, sagte Barroso. Reinfeldt sagte, die Unterzeichnung des polnischen Präsidenten „bringt uns einen Schritt voran“. Gleichwohl warte die EU nun ungeduldig auf die Ratifizierung durch Tschechien, damit der Vertrag in Kraft treten kann. „Wir können keine weiteren Verzögerungen gebrauchen“, sagte Reinfeldt.

In Tschechien muss noch das Verfassungsgericht über den Text befinden. Zudem steht die Unterschrift des Europaskeptikers Klaus aus, der den Vertrag wiederholt kritisierte. Am Freitag forderte er für sein Land eine Ausnahmeklausel, um etwaige Rückgabeforderungen enteigneter Sudetendeutscher zu verhindern. Derzeit ermögliche die EU-Grundrechtecharta, die Bestandteil des Vertrages ist, tschechische Gerichte zu umgehen, sagte Klaus. Er sei besorgt, dass die Charta den Benesch-Dekreten von 1945 und 1946 widerspreche, nach denen rund 2,5 Millionen Sudetendeutsche aus der damaligen Tschechoslowakei vertrieben und enteignet worden waren. Ob Tschechien den Vertrag noch in diesem Jahr ratifiziert, ist unklar.

Der Lissabon-Vertrag soll die EU handlungsfähiger und demokratischer und die Grundrechtecharta aus dem Jahr 2000 erstmals rechtsverbindlich machen. Auch Polen und Großbritannien haben Ausnahmen erwirkt: So hatte sich Polen im Prozess der Beschlussfassung garantieren lassen, dass seine Gesetzgebung zur Homosexualität nicht angetastet werden muss. Großbritannien setzte durch, dass die Beschlüsse europäischer Gerichte nicht automatisch britisches Recht brechen.