Tränen rollen über die Wangen von Ljuba. Verzweifelt schaut die 47-Jährige auf der Suche nach ihrer Nichte in jeden Kleinbus mit Flüchtlingen, der...

Gori. Tränen rollen über die Wangen von Ljuba. Verzweifelt schaut die 47-Jährige auf der Suche nach ihrer Nichte in jeden Kleinbus mit Flüchtlingen, der aus Südossetien durch den Roki-Tunnel in das russische Dorf Misur gelangt. "Sie wurde gezwungen, durch den Tunnel zurückzugehen. Ich weiß nicht, was passiert ist." Es sind Zehntausende Flüchtlinge, die sich vor den Kämpfen in der abtrünnigen georgischen Provinz in Sicherheit bringen.

"Ich habe Hunger. Seit drei Tagen habe ich nichts mehr gegessen", klagt die 26-jährige Waschena, nachdem sie aus einem der Flüchtlingsbusse gestiegen ist. Russische Behörden versuchen, die Ankommenden zu registrieren und zu versorgen. Unterkünfte werden für die Flüchtlinge organisiert, die keine Verwandten in Russland haben. Medikamente und Verpflegung stehen bereit. "Sie haben nichts - kein Brot und keine Kleidung. Sie kommen nur mit dem, was sie auf dem Leib tragen", sagt eine der russischen Helferinnen.

Die Flucht aus Südossetien nach Russland ist gefährlich. Russische Panzer kommen den Fliehenden in der bergigen Kaukasusregion entgegen. "Die Straße wird beschossen", berichtet der Fahrer eines Flüchtlingsbusses aus der südossetischen Hauptstadt Zchinwali. Später einigen sich Georgien und Russland nach russischen Angaben auf die Einrichtung von zwei Korridoren, die den Südosseten die Flucht nach Norden und nach Süden erleichtern sollen.

Wer es bis nach Misur geschafft hat, ist erst einmal außer Lebensgefahr. Es bleibt jedoch die Sorge um die verlassenen Häuser, das Hab und Gut und besonders um zurückgebliebene Angehörige. "Meine Mutter ist immer noch da drin", sagt Waschena. "Ich habe keinen Kontakt zu ihr."

Auch knapp hundert Kilometer weiter südlich in Gori verlassen die Menschen ihre Häuser, suchen ihre Verwandten. Die Lage in der georgischen Stadt ist chaotisch: Das Mobilfunknetz ist überlastet und zusammengebrochen, dicker, schwarzer Rauch verdunkelt den Himmel, Sirenen von Krankenwagen heulen. Aus Angst vor weiteren russischen Luftangriffen fliehen die Bewohner in voll besetzten Autos. Seine Mutter und seine Schwestern hätten die Stadt schon verlassen, berichtet der 18-jährige Sergo. "Aber ich bleibe hier. Das ist mein Georgien." Er will sich der Armee anschließen und kämpfen.

Offizielle Zahlen über Opfer der Kämpfe zwischen Georgien und Russland um Südossetien gibt es nicht, Augenzeugen berichten jedoch von zahlreichen Toten. Viele Häuser sind zerstört, das Pflaster ist übersät von Schutt. Während bewaffnete Soldaten durch das Viertel patrouillieren, stolpert Wolodja über die Trümmer ihres Hauses. Auch ihre Familie packe das Nötigste und verlasse Gori, erzählt sie. Dann beginnt Wolodja zu weinen und schreit: "Gott, lass es bitte nicht noch schlimmer werden!"