3000 Polizisten können Demonstranten nicht stoppen. IOC mahnt Peking erstmals zu Frieden in Tibet.

Paris. Zum ersten Mal in der Geschichte der Olympischen Spiele ist gestern in Paris der traditionelle Fackellauf abgebrochen worden. Mit massiven Protesten haben Hunderte Tibet-Aktivisten die symbolträchtige Veranstaltung - wie bereits am Sonntag in London - zu einer spektakulären Demonstration gegen die chinesische Menschenrechtspolitik und die Herrschaft in Tibet verwandelt. Trotz eines Aufgebots von 3000 Polizisten gelang es den Demonstranten, den Lauf immer wieder zu stoppen. Am Eiffelturm, am Rathaus und an der Kathedrale Notre Dame befestigten China-Kritiker große Banner, auf denen die olympischen Ringe als Handschellen dargestellt wurden. Zudem befestigten sie an Notre Dame die tibetische Flagge. Sicherheitskräfte lösten Sitzblockaden mit Tränengas auf. Mindestens 28 Demonstranten wurden festgenommen. Angesichts des Chaos auf den Straßen wurde die Flamme von Offiziellen mehrmals gelöscht und in einen Bus gebracht, wo sie an einer Laterne neu angezündet wurde.

Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Thomas Bach, sagte im ZDF: "Gegen friedliche Demonstrationen hat niemand etwas einzuwenden. Wirklich befremdlich ist, dass jetzt bei dem Fackellauf ein Symbol mit Gewalt angegriffen wird."

IOC-Sprecherin Giselle Davies sagte, es sei zu erwarten gewesen, dass es zu Protesten komme. Trotz der Kritik an China müsse man aber erwarten können, "dass man die Fackel friedlich vorbeitragen und die Läufer ihre Teilnahme an der Staffel genießen lässt."

Erstmals äußerte sich auch der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Jacques Rogge, zum Tibet-Konflikt: Unter dem Eindruck der Proteste in Paris sagte er in Peking: "Ich bin sehr besorgt über die internationale Situation und über das, was in Tibet geschieht. Das IOC ruft zu einer raschen und friedlichen Lösung in Tibet auf." In den USA forderte die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton Präsident George W. Bush auf, die Eröffnungsfeier zu boykottieren, falls sich die Menschenrechtslage nicht verbessere.

Trotz der sich ausbreitenden Proteste in Europa und Amerika beschlossen gestern sämtliche 205 anerkannten Nationalen Olympischen Komitees, an den Sommerspielen vom 8. bis 24. August in Peking teilzunehmen.