Einerseits: Die Vorgänge um das olympische Feuer sind eine Schande. Die Fackel, entzündet durch Sonnenstrahlen im antiken Olympia, musste in Paris mehrfach gelöscht und schwer bewacht im Bus herumgekarrt werden wie gefährlicher Atommüll. Das Feuer, Symbol des Friedens und der Völkerfreundschaft, sollte sich als hehre Idee tagespolitischen Querelen eigentlich entziehen und eignet sich denkbar schlecht als Ziel handfester Proteste. Seit den Terrorspielen von München 1972 ist der olympische Gedanke nicht mehr derart massiv beschädigt worden - und dies, bevor noch ein einziger Athlet in die Arena gestiegen ist.

Andererseits: Die Vorgänge um das olympische Feuer sind ein Fanal. Mehr als jeder blutige Aufruhr im fernen Lhasa werfen sie ein grelles Schlaglicht auf die gezielte Vernichtung der uralten tibetischen Kultur durch die Han-Chinesen. Die erstickte Flamme mahnt daran, dass China eine jede Demokratiebewegung erstickende Einparteien-Diktatur ist, dass es den Weltrekord an Hinrichtungen hält und das demokratische Taiwan bedroht. Daran also, dass China gewiss nicht idealtypisch den olympischen Geist des friedlichen Miteinanders verkörpert. Die Kommunistenriege in Peking spürt den riesigen Imageschaden und knirscht mit den Zähnen.

Es ist diese Janusköpfigkeit der Politik um Olympia, mit der wir in diesem Sommer werden leben müssen. Mag sein, dass China nie den Zuschlag hätte bekommen dürfen. Doch wie viele der fast 200 Staaten der Welt würden überhaupt als Austragungsort dem hohen moralischen Anspruch von Menschenrechtlern genügen - in Afrika, in Asien oder Südamerika? Nein: Das Problem China ist insgesamt weit komplexer. Man wird den politischen Protest rund um die Spiele deshalb auch aushalten müssen - solange er gewaltlos bleibt.