Hamburg. Da hatte sich Israels Regierung gerade mächtig darüber aufgeregt, dass der designierte US-Verteidigungsminister Robert Gates das Land beiläufig als Atommacht bezeichnet hatte. Hatten sich die Israelis doch jahrzehntelang bemüht, diese brisante Tatsache zu verschleiern. Und nun verplapperte sich ausgerechnet Israels Regierungschef Ehud Olmert in Sachen Atombombe.

Die Diskussion darüber ist ein halbes Jahrhundert alt. Ende der 50er-Jahre wurde der damalige Finanzminister und spätere Ministerpräsident Levi Eschkol gefragt, ob Israel die Atombombe habe. "Kann ich nicht sagen", soll Eschkol gebrummt haben, um dann ins Jiddische zu fallen: "Ober wir sanen stark schwanger."

Wenig später fand die Geburt dann statt - im streng geheimen Atomforschungszentrum Dimona in der Negev-Wüste. Erst 1986 sollte ein dort arbeitender Atomtechniker, Mordechai Vanunu, die Existenz der israelischen Atomrüstung enthüllen - wofür er für 18 Jahre eingekerkert wurde, darunter elf lange Jahre in einer Isolationszelle.

Die Entwicklung der israelischen Atombombe entwuchs, anders als etwa im Fall Irans, nicht dem Wunsch nach Großmachtstatus oder nach Dominanz der Region. Sie war eine direkte Konsequenz aus dem Trauma von Auschwitz. Israels legendärer Staatsgründer David Ben Gurion hatte das Motiv klar bestimmt: "Um sicherzustellen, dass das jüdische Volk nie wieder einen Holocaust erleiden muss, soll Israel jedem potenziellen Täter mit der Vernichtung drohen können." So wie jetzt dem Iran, dessen Präsident Mahmud Ahmadinedschad die Vernichtung des Judenstaates fordert. "Nie wieder!" soll auch auf der ersten israelischen Atombombe gestanden haben.

Israels Nuklearrüstung entstand mit Hilfe Frankreichs, das auch den Reaktor von Dimona lieferte. Experten glauben, dass der Judenstaat mindestens 200 Atomsprengköpfe besitzt, darunter 35 Wasserstoffbomben. In einer Studie der US-Army ist gar von 500 Köpfen die Rede.

1998 bis 2000 lieferte Deutschland drei U-Boote des Typs "Dolphin" an Israel - weitgehend als Geschenk. Die Kieler Howaldtswerke-Deutsche Werft statteten diese Boote neben den üblichen 533-Millimeter-Torpedorohren auch mit Rohren des ungewöhnlichen Kalibers 650 Millimeter aus. Dies dient offenbar zum Abschuss von Marschflugkörpern - vermutlich des modifizierten US-Typs "Harpoon" -, die atomar bestückt werden können. 2005 stimmte die Bundesregierung zu, Israel zwei weitere Boote zu liefern - Varianten des supermodernen Typs 212 mit Brennstoffzellenantrieb. Die Kombination aus Hightech-U-Booten und Atomwaffen verschafft Israel die Zweitschlagsfähigkeit. Das heißt, der Judenstaat könnte auch dann noch einen Gegner vernichten, wenn er selber schon atomar zerstört wäre. Doch um dem zuvorzukommen, sieht Israels Sicherheitsdoktrin Präventivangriffe vor.

Israel verfügt zudem über Atombomben, die per Flugzeug abgeworfen werden können, sowie über landgestützte Raketen der Typen "Jericho" I (450 Kilometer Reichweite) und II (1500 Kilometer) in der Basis Sedot Mikha 45 Kilometer südlich von Tel Aviv. Insgesamt gehen Experten davon aus, dass die israelischen Streitkräfte Ziele in bis zu 5000 Kilometer Entfernung angreifen können.

Das Atomkriegs-Szenario wird im winzigen Israel, das von einem Flugzeug in nur vier Minuten überquert werden kann, auch die "Samson-Option" genannt. Der Samson der Bibel war ein bärenstarker Jude. Von den feindlichen Philistern in einem Tempel angekettet, brachte er dessen Säulen zum Einsturz. In den Trümmern starben 3000 Philister. Und er selber.