Hamburg. Alles scheint nach Plan zu laufen. Zumindest für Mahmud Ahmadinedschad. Irans Präsident läßt sich bei Atompolitik und Eskalationsrhetorik nicht beirren. Im Gegenteil: Er scheint einen Konflikt herbeizusehnen. Denn seinem Glauben nach ist eine gewaltsame Auseinandersetzung zwischen dem "bösen" Westen und der "guten" islamischen Republik nötig, um die Rückkehr des Propheten Mahdi zu ermöglichen. In wenigen Jahren schon. Dazu bedarf es einiger geplanter Vorbereitung.

Die politische und ideologische Agenda des iranischen Herrschers läßt sich mit einem Blick auf seine religiöse Überzeugungen besser verstehen. Die Anhänger der Lehre vom "Mahdawariat" glauben an die Wiederkehr des zwölften Imams Mahdi, der im Mittelalter spurlos verschwand. Mit seiner Ankunft soll ein Reich der islamischen Gerechtigkeit und des Friedens entstehen. Rund 20 Prozent der Iraner hängen dieser Lehre an. Die Mehrheit der schiitischen Geistlichen bekämpft den Mahdi-Glauben jedoch als Irrlehre.

Es geht hier auch um innenpolitische Macht. Die anderen Kräfte im Iran, von den Reformern um Ex-Staatschef Chatami bis zu den orthodox-schiitischen Parteien lehnen die Ziele der Mahdi-Bewegung ab. Ahmadinedschad arbeitet mit Hochdruck daran, wichtige Stellen in Ministerien und Bürokratie mit Getreuen seines Glaubens zu besetzen. Selbst der Ayatollah Khomeini distanzierte sich von den Mahdi-Lehren.

Dabei gilt die 1979 von Khomeini errichtete islamische Republik für Ahmadinedschad als erste Stufe zur Rückkehr des Mahdi. Darum mußte Ahmadinedschad radikal mit der liberalen Politik seines Vorgängers Chamenei brechen, zu Scharia und Gottesstaat zurückkehren. Chameneis Politik des "Dialogs der Zivilisationen" nach außen und Reformen nach innen waren Zeichen der Schwäche und standen der Rückkehr des Propheten im Weg. Sie entsprachen nicht dem Plan. Dessen Ziele heißen: Stärke, Reinheit, Kraft.

Durch Unbeugsamkeit im Atomstreit demonstriert Ahmadinedschad Stärke und fromme Geradlinigkeit auf seinem Weg, Mahdis Ankunft vorzubereiten. Seine Auftritte in abgetragenen Kleidern sollen seine Entsagung von allem Weltlichen und die Unterwerfung unter seine "göttliche" Mission unterstreichen. Er ließ sofort nach Amtsantritt als Präsident für 17 Millionen Dollar die blaue Moschee in Jamkaran restaurieren. Hier sollen die Gläubigen der Überlieferung nach dem Propheten am nächsten sein. Auch eine Prachtstraße von Jamkaran nach Teheran wurde ausgebaut, auf der Mahdi einziehen soll. Doch das geschieht erst, wenn der wichtigste Punkt des Planes erfüllt ist. Ein globaler Kampf zwischen Gut und Böse.

Das Böse sind in diesem Weltbild die USA und Israel. Deswegen ereifert sich Ahmadinedschad in Vernichtungsdrohungen gegenüber dem Judenstaat. Der Plan, die Vorsehung fordert, ihn "auszuradieren". Die USA und der Westen maßen sich nach dieser Lesart die Rolle des Mahdi an. Mit ihrer Mission für Freiheit und Demokratie verhindern sie dessen Rückkehr, verhindern die Verkündung des Reiches der islamischen Gerechtigkeit. Nach der Lehre vom Mahdawariat beginnt der finale und unausweichliche Konflikt mit dem Anrücken des "Bösen" - aus der Stadt Nadschaf im Irak. Ahmadinedschad schützt deshalb sein Atomprogramm mit allen Mitteln. Er will gerüstet sein für den Zusammenprall. Zugeständnisse kann er sich nicht leisten. Der äußere Druck ist der Kitt seiner innenpolitischen Macht. Vor allem aber wäre jedes Zugeständnis ein Hindernis für die Rückkehr des Mahdi. Das entspräche nicht dem Plan.