Kommentar

Wo, um Gottes willen, liegt eigentlich der Unterschied zwischen dem beginnenden 21. Jahrhundert und den atavistischen Zeiten der Mongolenstürme, der mittelalterlichen Gräuel der Inquisition, der Verbrechen des Zweiten Weltkriegs? Die Bilder von menschlichem Abgrund, von abgeschlagenen Köpfen und öffentlich zur Schau gestellten Leichenteilen führen unweigerlich zur Frage, ob wir uns mitten in einer Phase der Wiederbelebung der Barbarei, mitten im Niedergang der Zivilisation befinden.

Eine Frage, die unsere ganze Ohnmacht zeigt, unsere Hilflosigkeit gegenüber dem Phänomen Mensch. Und über die wir oftmals vergessen, dass der Mensch vielschichtiger ist, als die Bilder der Grausamkeit suggerieren. Denn da gibt es auch Zehntausende von alliierten Soldaten, die im Irak gute Arbeit leisten. Die dazu beitragen, dass es wieder eine freie Presse gibt, dass Schulen und Universitäten wieder ihren Betrieb aufnehmen können, Wasserleitungen funktionieren. Diese Bilder sehen wir selten. Stattdessen Fotos von erniedrigten irakischen Gefangenen, die dem demokratischen Anspruch des Westens fast einen Todesstoß versetzt haben.

Das Abendblatt hat diese ungeheuerlichen Bilder gezeigt, weil zur Verantwortung einer freien Presse auch die Darstellung der Schattenseiten des Lebens gehört. Und weil wir wissen und die Medien dazu beitragen, dass die Folterknechte im Abu-Ghraib-Gefängnis ihrer gerechten Strafe nicht entgehen werden. Ganz im Gegensatz zu jenen Mördern, die sich mit dem abgeschlagenen Kopf eines jungen Amerikaners brüsten. Solche Fotos werden wir auch in Zukunft nicht abbilden, um den Mord nicht zum Medium werden zu lassen und damit jenen Terroristen Vorschub zu leisten, die uns in unserer Menschlichkeit verunsichern und zur Rache verführen wollen. Ließen wir das zu, begäben wir uns auf dieselbe Stufe wie die Täter. Und dann wären wir alle Verlierer dieses Krieges.