Italien will sich der Erpressung nicht beugen. Bin-Laden-Tonband: “Waffenstillstand“-Angebot an Europäer.

Rom/Bagdad/Doha. Der heimtückische Mord an einer italienischen Geisel hat die Lage im Irak weiter verschärft und weltweit Bestürzung ausgelöst. Damit haben die irakischen Aufständischen zum ersten Mal ihre Drohung wahrgemacht, gefangene Ausländer zu töten.

Am selben Tag bot der gesuchte Terrorführer Osama bin Laden Europa einen Waffenstillstand an, sofern alle europäischen Soldaten aus islamischen Staaten abgezogen würden. Europa lehnte diesen Vorschlag entrüstet ab.

Die arabischen Fernsehsender El Dschasira und El Arabija berichteten, die irakische Extremistengruppe "Grüne Brigaden" habe den 36 Jahre alten Italiener Fabrizio Quattrocchi aus einer Gruppe von vier Geiseln ausgesondert und erschossen. Auch die übrigen drei Geiseln sollen ermordet werden, falls Italien seine Truppen nicht aus dem Irak zurückzieht.

Auf einem Videoband, das El Dschasira zugespielt wurde, sei zu sehen, wie die irakischen Entführer dem todgeweihten Italiener eine Pistole ins Genick setzten und abdrückten. Kurz vor dem Schuss habe der 36-Jährige gerufen: "Ich werde euch zeigen, wie ein Italiener stirbt."

Die Meldung von Quattrocchis Tod löste in Italien Entsetzen aus. Der Vatikan sprach von einer "Barbarei ohne Grenzen". Die rechtspopulistische Lega Nord forderte als Vergeltung die massenweise Ausweisung von Muslimen. Außenminister Franco Frattini und Oppositionsführer Francesco Rutelli erfuhren die Nachricht über Handy mitten in einer Live-Diskussion. Die Fernsehzuschauer konnten beobachten, wie die Gesichter der beiden Politiker sich versteinerten.

Ministerpräsident Silvio Berlusconi, der die Amerikaner in Bagdad mit Soldaten unterstützt, bedauerte den Tod seines Landsmanns, schloss aber einen Rückzug der Italiener aus. "Sie haben ein Leben zerbrochen, aber sie haben nicht unsere Werte und unseren Einsatz für den Frieden beschädigt", sagte Berlusconi.

Die drei japanischen Geiseln im Irak wurden überraschend freigelassen, was großen Jubel in Japan auslöste. Die irakischen Entführer hatten vorher damit gedroht, die beiden Männer und die Frau lebendig zu verbrennen.

In der Osama bin Laden zugeschriebenen und von El Arabija ausgestrahlten Tonbandbotschaft verspricht eine Stimme, die aller Wahrscheinlichkeit nach die des Al-Kaida-Chefs ist, den europäischen Staaten ein Ende der islamistischen "Operationen" auf ihrem Gebiet, wenn sie jegliche "Aggression" gegen Muslime einstellten. Zugleich droht der Sprecher aber mit Vergeltung für die Tötung des Hamas-Gründers Scheich Ahmed Jassin durch die israelische Armee und verteidigte die Anschläge in den USA und in Spanien.

Die EU und europäische Regierungen wiesen das "Waffenstillstand"-Angebot zurück. "Mit Terroristen und Schwerverbrechern wie Osama bin Laden kann es keine Verhandlungen geben", sagte ein Regierungssprecher in Berlin. Ähnlich äußerte sich Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac. "Die Idee eines Waffenstillstands mit einer Gruppe, die sich durch Gewalt definiert, ist absurd", hieß es in London.

Offenbar vollzieht Osama bin Laden aus Sorge vor einem Zweifrontenkrieg gegen die USA und Europa nun einen Strategiewechsel.