Israel hat am Sonnabendabend mit der seit Tagen erwarteten Bodenoffensive gegen die radikal-islamische Hamas im Gazastreifen begonnen. Unterstützt von Panzern und Kampfhubschraubern rückten Soldaten in den Norden und Osten des Palästinensergebiets vor.

Tel Aviv/Gaza. Palästinensische Augenzeugen berichteten von schweren Feuergefechten zwischen israelischen Soldaten und Kämpfern der Hamas im Norden des Gazastreifens. Auf Live-Bildern des Fernsehens waren Explosionen in Gaza zu sehen. Leuchtkugeln erhellten den Himmel, während Rauchsäulen aufstiegen. Offizielle Angaben über mögliche Opfer gab es zunächst nicht. Die Hamas sprach von einigen israelischen Soldaten, die getötet oder verletzt worden seien.

Eine israelische Armeesprecherin bestätigte, dass Israel mit dem Beginn der Bodenoffensive die zweite Phase seines Militäreinsatzes im Gazastreifen begonnen habe. Diese Offensive sei größer als bisherige Einsätze. Ziel sei, alle Raketenabschussrampen der Hamas zu beseitigen. Zu dem Einsatz habe man sich am Sonnabend entschlossen, weil man nach acht Tagen Luftangriffen eine Schwächung der Hamas festgestellt habe. Hamas habe die Fähigkeit gehabt, bis zu 200 Raketen pro Tag auf Israel abzufeuern. Am Sonnabend sei nur ein Fünftel abgeschossen worden, so die Sprecherin.

Verteidigungsminister Ehud Barak kündigte einen länger dauernden Einsatz an. Die Bodenoffensive werde "nicht einfach und nicht kurz sein", sagte er. Dabei rechne Israel auch mit dem Verlust eigener Soldaten. Zudem sei man auf eine mögliche Eskalation an der Grenze zum Libanon vorbereitet, erklärte Barak. "Wir hoffen, dass der Nordfront ruhig bleibt. Wir sind allerdings auf alle mögliche Szenarien vorbereitet."

Ziel der Bodenoperation sei es, operative Einrichtungen der Hamas zu treffen, um den Raketenbeschuss israelischer Städte zu stoppen, teilte die Armee mit. An der Operation werde eine große Zahl an Truppen aus allen Bereichen der Streitkräfte teilnehmen. So habe auch die Marine ihre Blockade vor der Mittelmeerküste des Gazastreifens verstärkt. Schon seit Tagen waren Panzerverbände und Truppen an der Grenze zum Gazastreifen zusammengezogen worden. Unmittelbar nach Beginn der Bodenoffensive leitete am Sonnabendabend die Armee die Mobilisierung Tausender weiterer Reservisten ein.

Die Hamas drohte Israel mit einer harten Antwort auf die Bodenoffensive. Israel werde einen "hohen Preis" für die Invasion zahlen, erklärte der bewaffnete Arm der Hamas am Sonnabendabend in Gaza. Die israelischen Soldaten würden damit näher an die Falle rücken, die Hamas-Kämpfer für sie vorbereitet hätten, hieß es.

Zum ersten Mal seit Beginn der israelischen Militäroperation am Sonnabend vor einer Woche hatte die israelische Armee wenige Stunden vor dem Einmarsch auch Artillerie gegen Ziele der Hamas im Gazastreifen eingesetzt. Außerdem wurden die Luftangriffe verstärkt. Allein nach Sonnenuntergang kamen 20 Palästinenser bei Luftangriffen ums Leben, über 50 wurden verletzt. In der Stadt Beit Lahia starben 14 Menschen, als eine Moschee beschossen wurde. Zuvor war bei einem Luftangriff auch der ranghohe Hammas-Kommandeur Abu Zakaria al-Dschamal getötet worden.

Nach palästinensischen Angaben stieg die Zahl der Todesopfer am achten Tag der israelischen Angriffe auf über 470. Unter den Opfern seien 75 Kinder und Jugendliche sowie 37 Frauen. Mehr als 2300 Palästinenser wurden demzufolge bisher verletzt. Auf israelischer Seite starben durch den Raketenbeschuss militanter Palästinenser vier Menschen.

Unterdessen gingen die internationalen Bemühungen zur Eindämmung der Gewalt im Nahen Osten weiter. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier appellierte an die islamischen Staaten, all ihren Einfluss für eine Beendigung der Raketenangriffe radikaler Palästinenser auf israelisches Territorium geltend zu machen. Dies allein könne den Weg für eine Waffenruhe öffnen, in der diplomatische Aktivitäten für eine politische Lösung des Konflikts ergriffen werden könnten, sagte Steinmeier nach Angaben seines Ministeriums in einem Telefonat mit seinem türkischen Amtskollegen Ali Babacan.

Steinmeier machte noch einmal deutlich, dass der nächste Schritt zur Beendigung der Kampfhandlungen eine humanitäre Waffenruhe sein müsse, die die dringend erforderliche Versorgung der Zivilbevölkerung erlaube. Eine solche "humanitäre Waffenruhe" lehnt Israel bislang ab, weil nach Ansicht der Regierung im Gazastreifen keine humanitäre Krise ausgebrochen ist. Dagegen sprechen UN-Organisationen in einem neuen Bericht von einer "entsetzlichen" Lage.

US-Präsident George W. Bush machte in seiner wöchentlichen Radioansprache deutlich, dass er eine Waffenruhe nur dann für sinnvoll halte, wenn sichergestellt sei, dass sich die Hamas auch daran halte. Bush verlangte ein "dauerhaftes" Ende der Gewalt im Nahen Osten und eine Rückkehr "zum Pfad des Friedens".

Weltweit protestierten am Sonnabend erneut Zehntausende gegen den israelischen Militäreinsatz. Allein in Deutschland wurden weit mehr als 20 000 Demonstranten gezählt: In Frankfurt am Main kamen rund 10 000 Menschen zusammen, in Berlin gab die Polizei die Zahl der Demonstranten mit etwa 7000 an, in Düsseldorf waren es rund 4000. In Paris bekundeten nach Angaben der Veranstalter etwa 25 000 Menschen ihre Solidarität mit den Palästinensern. In Großbritannien versammelten sich in rund 20 Städten ebenfalls deutlich mehr als 10 000 Menschen zu Protestaktionen. Auch in Israel selbst gab es Demonstrationen, an denen sich vor allem israelische Araber beteiligten.