Die Armee scheint zum größten Teil zu Oppositionsführer Andry Rajoelina übergelaufen, Präsident Marc Ravalomanana übergab die Macht einem Offizierskollegium. Die Lage auf der Insel im Indischen Ozean ist unübersichtlich. Hat sich der ehemalige Discjockey Rajoelina erfolgreich an die Macht geputscht?

Antananarivo. Begleitet von Tausenden Anhängern ist Madagaskars Oppositionsführer Andry Rajoelina in die Büros des Präsidenten eingezogen. Die Soldaten, die das Gebäude im Zentrum der Hauptstadt Antananarivo eingenommen hatten, begrüßten ihn mit in die Höhe gereckten Waffen, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete.

Rajoelina fordert den Rücktritt von Präsident Marc Ravalomanana. Der Staatschef hält sich in einem zwölf Kilometer vom Zentrum Antananarivos entfernten Präsidentenpalast auf. Nach Angaben von Diplomaten ist er jetzt zurückgetreten. Er soll die Macht an ein Offizierskollegium abgetreten haben.

In einer SMS des französischen Konsulats in Madagaskar an die Ausländer auf der Insel hieß es: "Präsident tritt zurück, Demonstrationsrisiko. Bleiben Sie vorsichtig und vermeiden Sie es, sich nach Einbruch der Dunkelheit ans Steuer zu setzen." Für wie lange Madagaskar unter Militärherrschaft gestellt werden könnte, war zunächst nicht absehbar.

Rajoelina und Ravalomanana liefern sich seit Mitte Dezember einen Machtkampf, bei dem mehr als hundert Menschen ums Leben kamen. Rajoelina wirft der Regierung vor, die Schätze des Landes an ausländische Firmen zu verschleudern.

Präsident Ravalomanana (59) hatte vorher angekündigt, sein Amt bis zum Tod zu verteidigen. "Wenn es sein muss, werde ich sterben", zitierte ein Sprecher den Präsidenten.

Oppositionsführer Andry Rajoelina verkündete den Rücktritt von acht Ministern. Sie hätten ihm gegenüber den Verzicht auf ihr Amt erklärt, sagte Rajoelina vor etwa 10 000 Anhängern, die ihn als neuen Präsidenten umjubelten.

Nach Darstellung des Generalstabs unterstützen mittlerweile 99 Prozent der politisch traditionell neutralen Armee den Oppositionschef Rajoelina, der vom Präsidenten als Bürgermeister der Hauptstadt Antananarivo abgesetzt worden war. Präsident Ravalomanana hatte noch erklärt, entscheidende Teile der Armee stünden auf seiner Seite. Nach Angaben aus Militärkreisen hat der bedrängte Staatschef zwei loyalen Generälen sein Amt angeboten, jedoch einen Korb erhalten.

Rajoelina, ein früherer Discjockey, fordert seit Jahresbeginn den Rücktritt des Präsidenten und strebt dessen Inhaftierung an. Der Oppositionsführer nennt Ravalomanana einen Diktator, der Madagaskar wie seinen Privatbesitz regiert.

Diplomaten dringen mittlerweile auf ein Ende der Krise, die vor allem den Tourismus bedroht. Die Afrikanische Union, die ihren nächsten Gipfel auf Madagaskar abhalten wollte, verurteilte den "versuchten Putsch" auf der Insel im Indischen Ozean. Die Europäische Union drohte mit Kürzungen der Entwicklungshilfe und kündigte eine Isolierung aller Kräfte an, die gewaltsam an die Macht streben.