Russlands neuer Präsident Wladimir Putin umgibt sich in seinem Kabinett mit einer Riege aus alten Weggefährten aus der Geheimdienstzeit.

Hamburg. "Viele zerbrechen sich den Kopf, wie man die Menschheit ändern könnte - aber kein Mensch denkt daran, sich selber zu ändern." Das Zitat des großen russischen Schriftstellers Leo Tolstoi könnte gut auf den neuen Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, zutreffen.

Der hat gerade seine Mannschaft vorgestellt, die Putins bisherige Politik unverändert fortsetzen dürfte - und überraschend auch den Ururenkel von Tolstoi, Graf Wladimir Tolstoi, als kulturellen Berater mit in seinen Stab aufgenommen. Bislang kümmerte sich Tolstoi um das Landgut Jasnaja Poljana, 220 Kilometer südlich von Moskau gelegen und Geburtsort seines berühmten Vorfahren, das jährlich von Zehntausenden literaturbeflissenen Touristen heimgesucht wird.

Doch verglichen mit anderen Personalien hat die Bestallung von Graf Tolstoi fast nur ornamentalen Charakter. Bedeutender ist sicher schon, dass auch ein gebürtiger Dresdner in Putins Stab aufgenommen wurde: Der Energiefachmann und frühere stellvertretende Innenminister Jewgeni Schkolow. Von ihm heißt es, er habe während Putins Zeit als KGB-Agent in Dresden ebenfalls für den sowjetischen Geheimdienst gearbeitet. Nun soll er als Assistent des Präsidenten, zuständig für Personalentscheidungen, dessen ehrgeizige Energiepolitik mit vorantreiben.

+++ Neue russische Regierung mit vielen Putin-Vertrauten +++

In diesem Zusammenhang ist der Wechsel des bisherigen stellvertretenden Ministerpräsidenten Igor Setschin in die Wirtschaft interessant. Setschin gilt als Gegner des nun in der "Rochade vom Roten Platz" vom Präsidenten zum Ministerpräsidenten abgestiegenen Dmitri Medwedew. Der hat Setschin auf Anweisung von Putin zum Vorstandsvorsitzenden des Mineralölkonzerns Rosneft ernannt. Gleichzeitig hat Putin den staatlichen Öl- und Gasgiganten zum strategisch bedeutsamen Unternehmen erklärt. Dies bedeutet, dass alle wichtigen Konzern-Entscheidungen von Putin gelenkt werden können.

Mit der Bestallung von Setschin, der damit einer der mächtigsten Männer Russlands bleibt, wurden mehrere Top-Manager bei Rosneft gefeuert. Se-tschin führt den größten Ölkonzern des Landes damit de facto für Putin. Der Präsident will Rosneft zum Global Player auf dem Energiesektor aufbauen und hat dazu strategische Allianzen mit amerikanischen und europäischen Konzernen zur Erkundung der Ölreserven in der Arktis und im Schwarzen Meer geschlossen.

Igor Setschin stammt ebenso wie Putin und Schkolow aus dem Schattenreich des Geheimdienstes. Er hatte für Putin die Zerschlagung des früheren, regierungsunabhängigen Energie-Giganten Yukos organisiert. Dessen Chef Michail Chodorkowski wollte Geld und Einfluss einsetzen, um gegen Putin zu kandidieren, und ein pluralistisches System in Russland einführen. Chodorkowski, der sich damit vom Oligarchen zu Putins Rivalen wandelte, wurde 2003 wegen angeblicher Steuervergehen verhaftet und später in zwei umstrittenen Verfahren zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Er sitzt in einem Straflager in Karelien ein; sein Konzern wurde bereits 2006 für bankrott erklärt; die Konkursmasse wurde größtenteils von Rosneft geschluckt.

Putin denkt in seiner dritten Amtszeit bislang nicht daran, sich und seine Politik zu ändern. Das von ihm bestimmte Kabinett von Premier Medwedew ist eine Phalanx von Vertrauten und alten Weggefährten. Viele Schlüsselpositionen blieben unverändert. So sind Außenminister Sergej Lawrow, Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow und Finanzminister Anton Siluanow nach wie vor im Amt. Der erfahrene Diplomat und Außenpolitiker Lawrow hat seit 2004 die russischen Interessen gegenüber dem Westen vehement verteidigt und damit Putins außenpolitischen Kurs gestützt. Auch der Erste Stellvertretende Ministerpräsident Igor Schuwalow, ein alter Putin-Alliierter, bleibt. Fünf der sieben Vizeregierungschefs gehörten bereits dem von Putin geführten Kabinett an.

Neu unter den Schlüsselressortschefs ist Wirtschaftsminister Andrej Belousow, der aber auch vorher schon zur Regierung gehört hatte.

Bemerkenswert ist die Ernennung des neuen Innenministers Wladimir Kolokoltsew. Der Generalleutnant der Polizei und promovierte Jurist löst den umstrittenen Minister Raschid Nurgalijew ab, dem man im Zusammenhang mit den Unruhen in Moskau Folterpraktiken vorgeworfen hatte. Nurgalijews Entlassung gilt daher als Bauernopfer zur Besänftigung der Volkswut. Kolokolzew hat den Ruf eines geschickten Krisenmanagers, der die Proteste im Sinne Putins mit einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche unter Kontrolle bekommen hatte. Sein Vorgänger Nurgalijew rückt in den Sicherheitsrat des Präsidenten auf und soll sich um den instabilen Kaukasus kümmern.

"Dies ist keine neue Kraft, die auf der politischen Bühne Russlands erschienen ist", sagte Dmitri Trenin, Direktor des Carnegie Centers in Moskau und Autor des Buches "Die gestrandete Weltmacht", der "New York Times". "Dies ist ein neues Arrangement von Personal, das die Macht der verschiedenen Clans erhalten soll. Es wird klarer denn je, dass viel von dieser Macht zum Kreml verlagert wird - und die Regierung (Medwedew) zum Werkzeug des allmächtigen Kremls (Putin) wird".

Putin ist Führer des einflussreichsten politischen Clans der Silowiki. Das Wort bedeutet so viel wie Kraft oder Stärke und bezeichnet jene Mitglieder der russischen Nomenklatura, die den Geheimdiensten oder dem Militär entstammen. Die Silowiki befürworten eine starke Stellung des Staates - notfalls zulasten von Freiheiten und Bürgerrechten - und eine deutliche Abgrenzung vom Westen. In der Amtszeit des Präsidenten Medwedew, der nicht zu den Silowiki gezählt wird, hatte es noch ein gewisses Gegengewicht zur Geheimdienst-Riege gegeben, das nun weggefallen ist.

"Das ist nicht ein Kabinett des Durchbruchs", sagte der frühere Finanzminister Alexei Kudrin, der im vergangenen Jahr seinen Posten verloren hatte. "Ich bezweifle stark, dass es in der Lage sein wird, mit den Herausforderungen fertigzuwerden, denen sich Russland ausgesetzt sieht."