Russlands Opposition schäumt. Doch im Parlament läuft die vom Kreml eingefädelte “Operation Machterhalt“ wie am Schnürchen.

Moskau. Bei der Siegesparade auf dem Roten Platz tritt Russlands "Machttandem“ Putin und Medwedew erstmals nach dem umstrittenen Ämtertausch öffentlich auf. Zwei Wochen vor dem Nato-Gipfel in Chicago warten alle gespannt auf die Rede von Oberbefehlshaber Putin.

Russlands Opposition schäumt. Doch im Parlament läuft die vom Kreml eingefädelte „Operation Machterhalt“ wie am Schnürchen. Zwar mit zahlreichen Gegenstimmen, am Ende aber doch mit klarer Mehrheit wählt die Staatsduma den Ex-Präsidenten Dmitri Medwedew zum Premierminister. Kremlchef Wladimir Putin, der seinen politischen Ziehsohn nominiert hatte, kontrolliert die Abstimmung aus der obersten Sitzreihe. Mit Medwedews Bestätigung ist am Tag nach Putins Vereidigung ein historischer Ämtertausch abgeschlossen.

Der erste große Auftritt des „Machttandems“ in umgekehrten Rollen folgt an diesem Mittwoch – bei einer großen Militärparade auf dem Roten Platz. Wenn Russland mit schwerem Kriegsgerät seinen verlustreichen Sieg über Hitlerdeutschland feiert, werden die Blicke vor allem auf Oberbefehlshaber Putin gerichtet sein. „Zwei Wochen vor dem Nato-Gipfel in Chicago darf man auf seine Rede gespannt sein“, sagt der Politologe Michail Winogradow dem Radiosender Echo Moskwa.

Putin selbst hatte die Waffenschau im Herzen Moskaus nach einer Pause 2008 im alten Stil wieder eingeführt. „Aber als er die Parade wiederbelebte, hatte er weniger das Kriegsgedenken im Sinn“, meint Winogradow. Die bombastische Show solle vielmehr Warnung an den Westen sein, dass die Verteidigungskraft des Riesenreichs wachse.

Beispiellose Investitionen in die Rüstung hatte Putin bereits vor seiner Wahl im März angekündigt. Fast 600 Milliarden Euro will Russlands starker Mann zur Stärkung der Atommacht Russland ausgeben und in den kommenden zehn Jahren unter anderem 600 Kampfflugzeuge und 400 Interkontinentalraketen sowie 2300 Panzer und 20 U-Boote anschaffen. Russland werde eine „Wiederholung der Tragödie von 1941“ nicht zulassen, als das Land „mangelnde Bereitschaft mit riesigen menschlichen Verlusten“ habe bezahlen müssen, zog Putin damals eine Parallele zum Angriff Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion.

Russland reagiere damit auf Pläne der USA und der Nato für eine Raketenabwehr in Europa, die es als Bedrohung ansehe, betont Putin immer wieder. Moskau könne sich nicht auf Diplomatie verlassen. Militärexperten wie Konstantin Makijenko vom Analysezentrum für Strategien und Technologien halten das Säbelrasseln aber für pure Rhetorik. Auch bei steigenden Einnahmen aus dem Ölexport könne die Rohstoffgroßmacht ein solch ehrgeiziges Rüstungsprogramm kaum finanzieren, betont Makijenko.

Mit Putin kehre altes Freund-Feind-Denken in den Kreml zurück, kritisieren Gegner des früheren Geheimdienstchefs. Anders als im Vorjahr, als der Präsident noch Medwedew hieß, seien diesmal bei der Siegesparade keine Einheiten der Nato-Mächte USA, Großbritannien, Polen und Frankreich dabei, bemerkte der Militärexperte Leonid Iwaschow. „Das ist doch augenfällig.“

Iwaschow schließt nach dem Ämtertausch einen Strategiewechsel im Kreml nicht aus und erinnert an Putins legendäre Rede 2007 auf der Münchener Sicherheitskonferenz. Kurz vor Ende seiner zweiten Amtszeit hatte der damalige Kremlchef unter anderem der Nato „ungezügelte Militäranwendung“ vorgeworfen.

Putins Ton habe sich kaum geändert, meint Dmitri Trenin vom Carnegie Center in Moskau. So habe der 59-Jährige den westlichen Staaten während des Libyen-Konflikts einen „mittelalterlichen Kreuzzug“ gegen das Regime in Tripolis vorgeworfen. „Aber alle Panzer, die über den Roten Platz donnern, werden nicht vermeiden können, dass Russland eine neue moderne und mobile Armee schaffen muss“, sagt Trenin.

Längst räumt auch Putin ein, dass Moskau dazu auch Rüstungstechnik im Ausland kaufen muss. An diesem Mittwoch kommt es daher zu einem Novum: Erstmals rollen Panzerfahrzeuge italienischer Produktion in russischen Diensten am Kreml vorbei.