Das Wahlergebnis macht ratlos: Die Bürger haben zwar ihre Wut rausgelassen, aber keine klare Antwort gegeben, wie das Land regiert werden solle.

Athen. Einen Tag nach der Parlamentswahl ohne Sieger beginnen die griechischen Parteien am (heutigen) Montag Koalitionsgespräche in Athen. Der Chef der stärksten Partei, der Konservativen Nea Dimokratia (ND), Antonis Samaras, wird nach Angaben des Präsidialamtes gegen 14.00 Uhr MESZ den Staatspräsidenten Karolos Papoulias treffen, um das Mandat zur Sondierung zu erhalten. Das Mandat gilt gemäß Verfassung lediglich drei Tage lang.

Wie ein Sprecher der Nea Dimokratia sagte, wollte sich Samaras schon am Nachmittag mit dem Chef der zweitstärksten Partei, Bündnis der Radikalen Linken (Syriza), Alexis Tsipras, treffen. Diese linke Partei hatte am Sonntag ihre Kräfte vervierfacht – von 4,6 Prozent 2009 auf 16,78 am Sonntag. Anschließend sei ein Treffen mit dem Chef der Sozialisten, Evangelos Venizelos, geplant.

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Kurzporträts der Parteichefs der beiden stärksten Parteien:

Antonis Samaras, Neue Demokratie

Antonis Samaras ist zwar als Sieger aus der Wahl am Sonntag hervorgegangen, aber mit laut Hochrechnungen weniger als 20 Prozent der Stimmen führte der 61 Jahre alte Parteichef der Neuen Demokratie die Konservativen zu ihrem schlechtesten Wahlergebnis seit der Parteigründung 1974. Dabei war er nach dem Wahldebakel 2009 an die Parteispitze gekommen, als sich die Neue Demokratie mit 33,47 Prozent der Stimmen auf ihrem Tiefpunkt wähnte.

Samaras’ Kalkül, durch vorgezogene Neuwahlen eine eigene Mehrheit zu erringen, ging nach hinten los. Trotzdem bezeichnete er in der Nacht zum Montag seine Partei als einzig verbliebene Säule des politischen Systems und als Pfeiler, auf dem er eine Koalitionsregierung aufbauen wolle.

Das allerdings wird für den in den USA ausgebildeten Ökonom wohl eine echte Herausforderung werden. Vor der Wahl hatte er angekündigt, die Bedingungen für die internationalen Rettungsprogramme, denen er selbst zustimmte, nachverhandeln zu wollen. Die Kreditgeber Griechenlands dürfte das weiter verunsichern. Für sie kommt es nun darauf an, zu welchen Konzessionen Samaras gegenüber den Parteien bereit ist, die die Bedingungen der internationalen Hilfe ablehnen.

Zwar unterstützte Samaras das für Griechenland überlebensnotwendige zweite Hilfspaket, aber in der Vergangenheit trat er als überzeugter Nationalist auf, der den EU-Partnern so manches Kopfzerbrechen bereitete. Ende der 80er-Jahre war er einer der aufsteigenden Stars der konservativen Partei. Im Namensstreit mit Mazedonien – Griechenland lehnt die Verwendung des Namens ab, da Athen befürchtet, damit könnten Gebietsansprüche auf die gleichnamige nordgriechische Provinz einhergehen – trat er als Hardliner auf. Seine Kompromisslosigkeit kostete ihn Anfang der 90er-Jahre seinen Regierungsposten.

Anschließend gründete Samaras eine Splitterpartei und verbrachte den größten Teil des Jahrzehnts im politischen Niemandsland. Schließlich kehrte er zur Neuen Demokratie zurück und übernahm 2009 den Vorsitz. Samaras gilt als politischer Überlebenskünstler. Das Ergebnis vom Sonntag war jedoch alles andere als ein Triumph für ihn. Er geht geschwächt aus der Wahl hervor.

Alexis Tsipras, Koalition der Radikalen Linken (Syriza)

Als Parteichef der zweitstärksten Fraktion ist der 38-jährige Bauingenieur Alexis Tsipras der eigentliche Gewinner der Wahl vom Sonntag. Die von ihm geführte Koalition der Radikalen Linken (Syriza) legte einen Sprung von 4,6 Prozent der Stimmen und einem fünften Platz bei der Wahl 2009 auf 16 Prozent der Stimmen und den zweiten Platz am Sonntag hin. Den Erfolg bezeichnete der jüngste der griechischen Parteichefs als Legitimation für seine Forderung nach einer breiten Regierungskoalition der Gegner der internationalen Rettungspakete.

Als einer der Wortführer der Gegner der Sparbeschlüsse der vergangenen Jahre forderte Tsipras die Annullierung der international vereinbarten Rettungsmaßnahmen, die Streichung des größten Teils der Schulden, eine Verstaatlichung der Banken sowie eine Wiederherstellung der drastisch gekürzten Pensionen und Löhne. Offiziell ist seine Partei pro-europäisch. Allerdings gibt es innerhalb der Syriza eine starke Fraktion, die den Austritt aus der Eurozone befürwortet.

2006 trat Tsipras erstmals politisch in Erscheinung, als der damalige Parteichef Alekos Alavanos ihn als handverlesenen Kandidaten für die Bürgermeisterwahl in Athen aufstellte. Dabei hob sein politischer Mentor Tsipras’ Engagement als Aktivist der kommunistischen Jugend bei einer Reihe von Protesten gegen Schul- und Hochschulreformen der konservativen Regierung hervor.

Zwei Jahre nach Tsipras’ respektablem Abschneiden bei der Bürgermeisterwahl gab Alavanos die Parteikrone an seinen Zögling weiter. Kurz darauf kam es allerdings zum Bruch zwischen den beiden und Tsipras zeigte sein Talent und seine Cleverness im politischen Nahkampf und drängte Alavanos aus der Partei. Die von Tsipras in öffentlichen Debatten zur Schau gestellte jugendliche Großspurigkeit nervt seine politischen Konkurrenten. Allerdings dürfte sie ihm auch einen Großteil der Stimmen der jüngeren Wähler eingebracht haben.

(Mit Material von dpa/dapd)