In Frankreich und Griechenland wird auch über den Kurs in der Euro-Krise entschieden

Dass in Europa an einem Sonntag gleich in mehreren Ländern gewählt wird, kommt dank seiner staatlichen Vielfalt hin und wieder vor. Selten aber ist ein Wahlsonntag für das weitere Schicksal des alten Kontinents, der mitten in der Krise steckt, so richtungsweisend wie dieser. Im Élysée-Palast in Paris wird voraussichtlich der Hausherr wechseln. Nicht weil den Franzosen Nicolas Sarkozy zu rechthaberisch, rechts oder hyperaktiv geworden wäre. Sie haben mehrheitlich vielmehr Abstiegsängste. Sie plagt die Befürchtung, dass noch mehr Menschen in der Euro-Krise ihre Jobs verlieren. Vor allem glauben sie nicht, dass mit einem rigiden Sparkurs allein die Wende zum Besseren geschafft werden könnte. Hoffnungen auf staatliche Hilfen und ein Aufweichen des EU-Fiskalpaktes hat ihnen François Hollande gemacht - und damit vermutlich das Siegesticket gelöst.

Auch wenn er - wie alle Wahlkämpfer dieser Erde - nicht alle seine Versprechen wird halten können, deutet sich doch ein zumindest partieller Kurswechsel im Euro-Krisenmanagement an. Wenn die Ära Merkozy Geschichte ist, wird nicht alles neu verhandelt werden müssen. Zugeständnisse aus Berlin, den rigiden Sparkurs zumindest mit Wachstumsimpulsen zu flankieren, werden aber kaum ausbleiben können. Anderenfalls könnte es zu noch mehr Spannungen in der Gemeinschaft kommen, die noch mehr Regierungen aus dem Amt fegen würden. Was dann folgen könnte, ist jetzt schon in Griechenland zu besichtigen: Der Vertrauensverlust in die etablierten Parteien ist immens, gestärkt werden dank allgemeiner Perspektivlosigkeit der rechte und linke Rand. Zum wirtschaftlichen Debakel droht sich das gesellschaftliche zu gesellen. Hier ist mit Sparen allein längst nichts mehr zu gewinnen. Das Land bedarf einer Umstrukturierung an Haupt und Gliedern, einer ökonomischen und politischen Neuorientierung. Aufgaben, die eine wie auch immer zusammengesetzte neue Athener Regierung nicht im Alleingang bewältigen kann. Griechenland braucht weiter die europäische Solidarität - und das ist auch im ureigensten Interesse der Gemeinschaft. Denn die Gefahr des Domino-Effektes, dass bei einem Bankrott Griechenlands bald Portugal und Spanien und dann auch Italien folgen könnten, ist längst nicht gebannt. Der Euro wäre am Ende - mit unabsehbaren Folgen auch für die deutsche Exportwirtschaft. Im Schatten dieser beiden Wahlen stimmen auch noch Serben und Armenier ab. Serbien möchte gern näher an die EU rücken. Ein entscheidendes Hindernis ist dabei noch die Kosovo-Frage, das fragilste Relikt der Balkankriege der 90er. Belgrad will die Unabhängigkeit der mehrheitlich von Albanern bewohnten ehemaligen Provinz nicht anerkennen. Europa hat bisher nicht die Kraft und die Ausdauer gefunden, das Problem zu lösen. Geschweige denn, sich um seine Peripherie zu kümmern, an der die Armenier verarmen und vergessen werden.

Die EU ist momentan zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie Energie auch noch für andere aufbringen könnte. Ob dies nur ein vorübergehendes Innehalten ist, hängt entscheidend vom weiteren Krisenmanagement ab. Davon, ob der deutsch-französische Motor in neuer Zusammensetzung stottert, sich ganz zerlegt oder aber neuen Schwung nimmt. Für letztere Annahme stehen die Chancen gar nicht so schlecht. Kanzlerin Merkel hat, auch wenn sie sich zunächst für Sarkozy ins Zeug gelegt hatte, ihre pragmatische Art nicht verloren. Sie interessiere, was Hollande nach der Wahl tut, und nicht das, was er davor sagt, hat sie bereits verlauten lassen.

Die europäische Idee ist stärker als die Anziehungskraft unterschiedlicher politischer Lager. Das hat sie bisher so erfolgreich gemacht - und nur die Solidarität über Parteischranken hinweg kann auch den Weg aus der Krise weisen.