Konservative und Sozialisten verlieren in Griechenland die Mehrheit. Nach den Wahlen beginnt die schwierige Suche nach Regierungspartnern.

Athen/Köln/Frankfurt/München. Nach den Parlamentswahlen in Griechenland zeichnet sich eine äußerst schwierige Regierungsbildung in dem von der Schuldenkrise gebeutelten Staat ab. Nach Auszählung von mehr als 98 Prozent der abgegebenen Stimmen haben die Verfechter des umstrittenen Sparprogramms die Mehrheit im Parlament um zwei Abgeordnete verfehlt. Der konservativen Nea Dimokratia (ND) und der sozialdemokratischen Pasok entsenden nach Angaben des Innenministeriums in Athen zusammen 149 Abgeordnete in das Parlament. Dort sitzen 300 Abgeordnete.

Zunächst hatte sich eine denkbar knappe Mehrheit für beide Parteien abgezeichnet, in der Nacht zum Montag kippte der Vorsprung jedoch. Mit der Auszählung der Stimmen aus Arbeiterregionen rund um Athen schmolz die Zahl der Sitze der beiden Parteien, die in den vergangenen Jahrzehnten immer abwechselnd die Regierung gebildet hatten.

Der Vorsitzende der stärksten Partei Nea Dimokratia, Antonis Samaras, kündigte an, gemeinsam mit der Pasok sowie weiteren Parteien eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Bedingung sei der Verbleib in der Eurozone und die Fortsetzung des Sparkurses, allerdings mit einem flankierenden Wachstumsprogramm.

In Frage kämen die Unabhängigen Griechen, eine eher antieuropäische rechtsorientierte Partei, die wohl 33 Sitze im Parlament haben wird. Auch die kleine gemäßigte Demokratische Linke könnte dienen. Ihre Führung wies Koalitionen zunächst zurück.

Euro auf tiefstem Stand seit mehr als drei Monaten

Der Euro ist nach den Wahlen in Frankreich und Griechenland auf den tiefsten Stand seit mehr als drei Monaten gefallen. Die europäische Gemeinschaftswährung fiel am Montag im asiatischen Handel unter die Marke von 1,30 US-Dollar. Zuletzt kostete sie 1,2985 Dollar. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs am Freitagnachmittag noch auf 1,3132 (Donnerstag:1,3123) Dollar festgesetzt. In der vergangenen Woche war die europäische Gemeinschaftswährung wegen der Unsicherheiten vor den Wahlen bereits um rund zwei Cent gefallen.

In Athen wurde erwartet, dass Staatspräsident Karolos Papoulias noch am Montag Samaras mit der Regierungsbildung beauftragt. Auch der Chef der Sozialisten Evangelos Venizelos erklärte, er sei bereit, an einer Regierung der nationalen Rettung teilzunehmen. Venizelos rief dazu auf, die Konsequenzen des Sparprogramms zu tragen. „Eine Regierung der nationalen Einheit ist nötig“, sagte der ehemalige griechische Finanzminister.

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Die Sondierungen könnten mehrere Tage dauern. Den Griechen läuft allerdings die Zeit davon. Ende Mai erwarten die internationalen Geldgeber eine handlungsfähige Regierung. Andernfalls könnten sie den Geldhahn zudrehen. Die Folge könnte eine Staatspleite sein. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise vor zwei Jahren haben Millionen von Griechen erhebliche Einnahme-Einbußen hinnehmen müssen. In ganz Europa herrscht Unsicherheit über die Zukunft Griechenlands und über die Auswirkungen auf den Euro.

Innenminister Friedrich warnt die Griechen

SPD-Chef Sigmar Gabriel nicht mit einer Aufkündigung des verabredeten Sparpakts in Europa. Die beiden größten Parteien, die sozialistische PASOK und die konservative Neue Demokratie, würden in der einen oder anderen Weise an der Regierung beteiligt sein. „Und beide sagen: Wir wollen im Euro bleiben“, sagte Gabriel am Montagmorgen im Deutschlandfunk. Jetzt müsse aber darüber geredet werden, wie die Sparpläne sozial begleitet werden können. Zugleich warnte Gabriel vor dem Erstarken der Rechtsradikalen in Griechenland. Vor dem Hintergrund der Militärdiktatur in den 1970 Jahre „hat man ungefähr eine Ahnung, wenn man Länder blind ein solches Chaos stürzt“. Probleme zu lösen, bedürfe Zeit.

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Auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) pocht auf ein Festhalten Griechenlands an dem in Europa verabredeten Sparkurs auch nach dem Wahlergebnis vom Sonntag. Friedrich sagte am Montag vor einer Sitzung des CSU-Vorstands in München: „Wir haben klare Bedingungen, unter denen wir helfen. Und wenn die nicht erfüllt werden, dann kann es auch keine Zahlungen aus Deutschland mehr geben.“

Wähler bestrafen korrupte Regierung

Die Wähler straften die bisherigen Regierungsparteien ab. Sie werden für Vetternwirtschaft und Korruption verantwortlich gemacht, die das Land an den Rand des Abgrunds gebracht haben. Neben den Kommunisten werden auch erstmals Faschisten im neuen Parlament vertreten sein.

CSU-Chef Horst Seehofer warnt angesichts der Wahlergebnisse in Frankreich und Griechenland vor einer Aufweichung des „Stabilitätskurses“ in der Euro-Schuldenkrise. Seehofer sagte am Montag: „Wir dürfen jetzt nicht das Schlingern anfangen.“ Es sei schon seit Monaten festzustellen, „dass um Deutschland herum die Regierungen purzeln“. Umso wichtiger sei es, dass die Bundesrepublik „eine Insel der Stabilität“ bleibe.

Die Abstimmung in Griechenland stand im Zeichen hoher Arbeitslosigkeit und wachsender Armut, was viele Griechen den Traditionsparteien anlasten. Die Nea Dimokratia kam als stärkste Partei auf 18,9 Prozent. Das Bündnis der Radikalen Linken (Syriza) lag als Überraschungspartei auf Platz zwei bei 16,7 Prozent. Das Bündnis will keine Schulden mehr begleichen und das Sparpaket mit den ausländischen Geldgebern grundsätzlich neu verhandeln.

Dramatische Verluste verzeichnete der Wahlsieger von 2009, die sozialdemokratische Pasok, als drittstärkste Kraft mit 13,2 Prozent. Damit machten die beiden Traditionsparteien ND und Pasok erstmals nicht das Rennen um den Wahlsieg und die stärkste Oppositionspartei unter sich aus.

Auf die Pasok folgen die konservativen Unabhängigen Griechen (10,6 Prozent), die als möglicher Koalitionspartner gehandelt werden. Hinter den Kommunisten (KKE/8,5 Prozent) schafft erstmals die faschistische Goldene Morgenröte (knapp 7 Prozent) den Sprung ins Parlament. Die Demokratische Linke (DA) kommt auf 6 Prozent.

Mit Material von dapd und dpa