In Griechenland, Frankreich, Serbien und Armenien entscheiden die Bürger über neue Regierungen. Die Pflicht zu sparen vereint die Wahlkämpfer.

Hamburg. Es steht viel auf dem Spiel am Sonntag in Europa. Der deutsche Blick wird sich vor allem auf die Wahlen in den EU-Ländern Frankreich und Griechenland richten. Aber auch in Serbien und Armenien stehen die Parlamentswahlen im Zeichen wirtschaftlicher Krisen.

Griechenland blickt in den Abgrund

Nach zwei Jahren knallharten Sparkurses haben die Griechen am Sonntag in einer Parlamentswahl die Möglichkeit, die politischen Karten in dem noch immer am Abgrund des Staatsbankrotts wandelnden Euro-Staat neu zu mischen. Die konservative Partei Neue Demokratie (ND) von Antonis Samaris liegt in Umfragen vorne, wird aber wohl eine eigene Mehrheit verfehlen. Eine Koalition mit den Sozialisten der Pasok lehnt er ab. Das könnte die nächste Wahl vorprogrammieren.

Samaris' Kurs ist denn auch in der eigenen Partei umstritten. Etliche politisch in der Mitte positionierte Mitglieder treten offen für eine Koalition mit den Sozialisten ein, sollte es nicht für eine eigene Mehrheit reichen. Der Parteichef versucht derweil, Protestwähler vom rechten Rand wegzulocken. Rechtsextreme Parteien wie die Chrysi Avgi - "Goldene Morgenröte" - können mit etlichen Stimmen rechnen.

Der derzeitige Ministerpräsident Lukas Papademos setzte die Parlamentswahl an, nachdem seine Übergangsregierung die von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) geforderten Sparmaßnahmen auf den Weg gebracht hatte. Doch weder die Konservativen noch die Sozialisten können Umfragetrends zufolge davon profitieren. Der Ausgang scheint erfahrenen Analysten völlig offen.

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Frankreich vor dem Machtwechsel

In Frankreich zeichnet sich nach 17 Jahren konservativer Herrschaft ein Machtwechsel ab. Kurz vor der entscheidenden Runde der Präsidentenwahl sahen weiter sämtliche Meinungsforscher den Sozialisten François Hollande als nächsten Staatschef. Nach Zahlen vom Freitag kann der 57-Jährige in der Stichwahl gegen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy auf 52,5 bis 53,5 Prozent der Stimmen hoffen. Sarkozy würde demnach auf 46,6 bis 47,5 Prozent kommen und wäre damit abgewählt.

Der konservative Präsident gab sich am Freitag noch einmal kämpferisch. "Ich spüre wie nie zuvor eine Mobilisierung", sagte er bei seiner letzten großen Wahlkampfkundgebung in Sables d'Olonne an der Westküste. Es gehe für Frankreich um eine historische Entscheidung. Umfrageinstitute hatten zuvor darauf hingewiesen, dass der Abstand zwischen den beiden Kontrahenten zuletzt deutlich schrumpfte. In sämtlichen Umfragen machte Sarkozy im Verlauf der vergangenen Woche Boden gut und gewann bis zu zwei Prozentpunkte. In der zweiten Runde der französischen Präsidentenwahl sind am Wochenende rund 46 Millionen Franzosen aufgerufen, das Staatsoberhaupt für die kommenden fünf Jahre zu wählen. Sollte Hollande gewinnen, käme 17 Jahre nach dem Ende der Amtszeit von François Mitterrand erstmals wieder ein Sozialist an die Macht.

Für Sarkozy hatte es am Donnerstagabend einen neuen schweren Rückschlag gegeben. Der in der ersten Wahlrunde ausgeschiedene Zentrumspolitiker François Bayrou verweigerte ihm wegen des zuletzt stark nach rechts ausgerichteten Wahlkampfs die erhoffte Unterstützung. Er selbst werde für Hollande stimmen, sagte der 60-Jährige. Seinen Anhängern wolle er keine direkte Wahlempfehlung geben. Bayrou war in der ersten Wahlrunde als Fünftplatzierter von zehn Kandidaten ausgeschieden. Er hatte rund neun Prozent der Stimmen bekommen und lag damit hinter der Rechtspopulistin Marine Le Pen (18 Prozent) und Linksfront-Chef Jean-Luc Mélenchon (elf Prozent). Die Anhänger der ausgeschiedenen Kandidaten gelten bei der Stichwahl als Zünglein an der Waage.

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Serbien will näher an die EU rücken

Knapp sieben Millionen Serben wählen ein neues Parlament. Obwohl das Balkanland in der schwersten sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise seit den Bürgerkriegen (1991-1999) steckt, sagen alle Umfragen einen Sieg der Regierungsparteien voraus. Zwar wird die oppositionelle Fortschrittspartei (SNS) des vom Nationalisten zum Europäer bekehrten Tomislav Nikolic nach diesen Prognosen mit rund 30 Prozent stärkste Partei. Doch fehlen ihr die Bündnisgenossen, um eine Regierung zu bilden. Damit wird die neue wie die alte Regierung von den Demokraten (DS) des langjährigen Staatspräsidenten Boris Tadic angeführt. Tadic möchte den EU-Beitritt Serbiens vorantreiben. Dem steht aber die Weigerung Belgrads entgegen, die Unabhängigkeit des Kosovo anzuerkennen.

Die neue Regierung muss zudem schmerzliche Einsparungen durchsetzen, um den drohenden Bankrott abzuwenden. Das Land hatte in den vergangenen Monaten immer neue Negativrekorde bei Firmenpleiten, Staatsverschuldung, Arbeitslosigkeit und Geldentwertung erzielt. Die Entlassung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst könnte die Lage entschärfen.

Armenien ist von Russland abhängig

In der Südkaukasusrepublik Armenien sind rund 2,5 Millionen Wähler zur Wahl eines neuen Parlaments aufgerufen. Acht Parteien und eine Vereinigung mehrerer politischer Gruppierungen sind zu dem Urnengang in der früheren Sowjetrepublik zugelassen. Als Favorit gilt laut Umfragen die Republikanische Partei von Präsident Sersch Sargsjan. Westliche Beobachter sprachen ungeachtet mehrerer Verstöße im Wahlkampf von einem vergleichsweise offenen und transparenten Konkurrenzkampf mit Medienvielfalt in dem christlich geprägten Land. Insgesamt hat die armenische Nationalversammlung 131 Abgeordnete. Die Republikaner regieren bisher in einer Koalition unter anderem mit der Partei Blühendes Armenien des Oligarchen Gagik Zarukijan.

Die verarmte Republik ist trotz politischer und wirtschaftlicher Fortschritte weiter stark von Russland abhängig, wo auch ein Großteil der armenischen Diaspora lebt. Außerdem hat Russland als Schutzmacht Tausende Soldaten dort stationiert.