Die Dansk Folkeparti gefällt sich als Scharfmacher. Nach strengen Gesetzen für Zuwanderer sollen jetzt die Grenzen kontrolliert werden.

Kopenhagen. Wenn Søren Espersen über Gettoisierung und die Gefahr von Muslimen für die dänische Kultur redet, ist seine Stimme ruhig und gelassen. Manchmal klemmt er die Hände zwischen Oberschenkel und Sessel wie ein Zwölfjähriger, schiebt die Beine zusammen und zieht seinen Bauch ein wenig ein. Licht schimmert auf seinem glatt rasierten Kopf. Der außenpolitische Sprecher der dänischen Folkeparti gibt nicht den Einpeitscher, Espersen agitiert nicht. Er erzählt. Klar distanziert sich der 57 Jahre alte Politiker von Rassismus, spricht von Wandel, den jede Gesellschaft brauche. Doch im nächsten Moment findet der Populismus zurück in seine Rhetorik. Er nennt die Europäische Union ein Projekt von Eliten, fordert die Abschaffung des Schengen-Abkommens, sieht im Islam ein "totalitäres System". Integrationsexperten warnen vor den tiefen Gräben, die durch solche Parolen aufgerissen werden und Ängste schüren.

An der Wand in Espersens Büro hängen viele Bilder. Von seiner Ehefrau, seinen fünf Kindern, vom dänischen Königspaar und von einer mild lächelnden Frau mit halblangen, blonden Haaren: Pia Kjærsgaard, Espersens Chefin. Nett sieht sie aus, typisch dänisch.

Seit 1995 führt Kjærsgaard die Volkspartei. Viele Dänen finden, sie habe Charisma, sie spreche die Sprache der "kleinen Leute". Espersen meint, man kenne sie im Kindergarten wie im Seniorenheim. Die dänische Öffentlichkeit kennt sie mit Sätzen wie diesem: "Ein 30-jähriger Somalier, der nichts kann - das taugt einfach nicht."

+++ Grenzkontrollen - Dänen schrecken Europa auf +++

Populismus wird in Deutschlands Nachbarland nicht entlang provokanter Bücher ehemaliger sozialdemokratischer Bundesbank-Chefs diskutiert. Die Volkspartei regiert nicht mit, aber sie ist seit zehn Jahren ein Machtfaktor in Dänemark und drittstärkste Kraft im Parlament. Der Siegeszug der Rechten begann im Jahr 2001.

Damals verpasste das vom heutigen Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen geführte Bündnis aus Rechtsliberalen und Konservativen bei den Wahlen eine Mehrheit im Parlament. Um handeln zu können, ließ sich die Koalition auf einen Deal ein. Sie lässt sich von der Volkspartei tolerieren, bringt mit deren Stimmen ihren Haushalt durch - und verschärft im Gegenzug Dänemarks Ausländerpolitik, wie die Volkspartei es sich wünscht. Längst diktiert die Folkeparti den Ton in der Debatte um Zuwanderung.

Das Ergebnis lässt sich an Gesetzen ablesen: Ein Punktesystem regelt den Nachzug ausländischer Ehepartner. Kommen darf nur, wer genügend Punkte sammelt, durch Sprachkenntnisse, Erfahrungen im Beruf oder Hochschulabschlüsse. Als Sicherheit müssen Partner in Dänemark zudem ein Depot von etwa 14 000 Euro bei der Bank vorweisen. Heiraten dürfen ausländische Paare erst, wenn beide Partner mindestens 24 Jahre alt sind. In den ersten sieben Jahren erhalten Zuwanderer nur die Hälfte des Sozialhilfesatzes, das Kindergeld ist eingeschränkt.

Weitere Einschränkungen stehen auf der Wunschliste der Rechten: ein Burka-Verbot und ein Verbot von Satellitenschüsseln, damit die Fernsehsender al-Dschasira und al-Arabija nicht mehr in dänischen Wohnzimmern empfangen werden können.

Der Anteil an Ausländern ist in Dänemark mit zehn Prozent deutlich geringer als in Deutschland. Doch das Land hat mittlerweile die schärfste Ausländerpolitik Europas. Darauf ist Espersen stolz. "Mit unserer Politik wollen wir auch ein Signal setzen", sagt der außenpolitische Sprecher der Volkspartei im Parlament. "Wenn du keinen legalen Grund hast, nach Dänemark zu kommen, bist du nicht willkommen." Je weniger Ausländer im Land seien, desto besser gelinge die Integration. Im Jahr 2001 suchten noch mehr als 12 000 Menschen Asyl in Dänemark. 2009 waren es gerade noch 3855.

Die anderen Parteien sind in der Ausländerpolitik auf den Kurs der Folkeparti eingeschwenkt. Sogar die dänischen Grünen akzeptieren in Grundzügen die offizielle Politik. Die Volkspartei selbst ist auch nicht mehr die monothematische Protestpartei. Sie mischt bei Themen wie Rente und Arbeitslosigkeit mit, bleibt EU-feindlich - und drängt Zuwanderer an den Rand der Gesellschaft.

Dänemarks Parallelgesellschaft trifft sich an diesem Abend hinter großen Panoramafenstern. Die Sonne über Kopenhagens Zentrum wärmt die holzvertäfelten Wände im Marriott-Hotel. Kamilla Sultanova aus Usbekistan ist gekommen, die Amerikanerin Robin Patin, der Inder Akshey Gupta und etwa 30 andere Menschen, die schon Jahre in Dänemark arbeiten, erst seit ein paar Monaten hier leben oder bald einwandern werden. Auch zwei Dänen sind da.

Gerade beginnt eine neue Runde beim Speed-Networking , einer Art Turbo-Blind-Date für Geschäfte. "Okay everybody, walk around!", ruft die Deutsche Dagmar Fink, die zu dem Treffen eingeladen hat, und bimmelt mit einer kleinen Glocke. Wieder wuseln alle durcheinander, neue Pärchen finden sich: Und, wie heißt du? Wo kommst du her? Was machst du? Einige reden über den Job, andere über ihre Heimatländer oder das Wetter. Aber in die Gelassenheit von Dänemarks Einwanderer-Elite mischen sich auch Wut, Unverständnis und Ratlosigkeit. Die meisten von ihnen sind in ein ganz anderes Dänemark eingewandert.

Jetzt sollen Polizisten und Zöllner die Grenzen des Landes bewachen. Die Regierung nennt es eine Maßnahme gegen die "wachsende Kriminalität von EU-Ausländern". Die Kontrollen seien eine vernünftige Lösung, da es grenzüberschreitende kriminelle Aktivitäten gebe, sagte der rechtsliberale Integrationsminister Søren Pind gestern auf der Sitzung der EU-Innenminister in Brüssel. Es gebe keine Passkontrollen. Beamte sollen Drogenschmuggel oder illegalen Waffenhandel aufdecken. Der Schritt stehe im Einklang mit dem Schengen-Abkommen. "Das ist ein großer Tag für Dänemark", sagte Pia Kjærsgaard.

Die Sozialdemokratin Maja Panduro schämt sich für viele Aussprüche der Folkeparti. "Ich lasse mir nicht meine Nationalflagge durch ihre fremdenfeindlichen Sprüche beschmutzen." Sie gibt aber zu, dass ihre Partei auch eine Mitschuld am Wahlerfolg der Volkspartei trage. "Als unsere Partei in den 1990er-Jahren regierte, haben wir die Sorgen der Menschen bei der Integration der vielen Asylbewerber nicht ernst genug genommen. Multikulti war zu lange unsere Parteidoktrin", sagt sie. Viele sozialdemokratische Wähler stimmten 2007 für die Volkspartei. Mit der restriktiven Ausländerpolitik und dem fremdenfeindlichen Ton der Rechten und der Regierung riskiere Dänemark auch Fachkräfte zu verschrecken.

Beweise für diesen Satz findet man an diesem Abend im Kopenhagener Marriott-Hotel. Die US-Amerikanerin Robin Patin macht gerade eine Pause vom Speed-Networking und erholt sich vor dem Konferenzraum auf einem Sofa. Patin arbeitet als Englischlehrerin, sie kam vor knapp vier Monaten von Hamburg nach Kopenhagen. "In Dänemark wird oft nur von Migranten geredet, die Verbrechen begehen oder teuer für den Sozialstaat sind", sagt Patin. Sie nehme das nicht persönlich, aber sie sehe, wie diese Töne das gesellschaftliche Klima vergiften. Die Muslime seien heute in Dänemark, was die Schwarzen lange Zeit in den USA waren: "ein Sündenbock". Ein Vorstoß der Regierung macht sie besonders wütend: Wer neu in Dänemark ist, soll vier Jahre lang von der gesetzlichen Krankenkasse ausgeschlossen bleiben. "Wenn dieses Gesetz kommt, bin ich weg", sagt Patin.

Die Deutsche Dagmar Fink und die Usbekin Kamilla Sultanova sitzen in der Lobby des Hotels zusammen. Fink arbeitet bei einer dänischen IBM-Tochter und ist mit einem Dänen verheiratet. Die junge Sultanova, 27, hat nach ihrem Studium in Dänemark als Kauffrau bei einem Logistikunternehmen angefangen. "Die Regierung ruft doch ständig nach frischen und jungen Gedanken für das Land. Und dann machen sie solche Gesetze!", empört sich Sultanova. Sie und viele ihrer ausländischen Freunde seien entnervt von der Diskriminierung, "nur weil jemand Mohammed heißt". Fink hat für ihr Netzwerk "Worktrotter DK" eine Umfrage unter Zuwanderern gemacht. In 700 zurückgeschickten Fragebögen sagte fast die Hälfte der Befragten, die Dänen seien ihrer Erfahrung nach nicht wirklich oder überhaupt nicht offen gegenüber Ausländern. "Die Regierung und die Rechten schüren Ängste und manifestieren so Klischees von Ausländern als Kriminelle, Arme und Arbeitslose", sagt Fink.

Das bereitet inzwischen auch vielen Dänen Unbehagen. Erste Unternehmensverbände wie das "Konsortium für globales Talent" sehen das Klima der Debatte mittlerweile mit Sorge.

Auch Kamilla Sultanova protestiert. An oberster Stelle sogar. Auf Einladung eines Netzwerks für hoch qualifizierte Ausländer hat sie eine Rede vor dem dänischen Parlament gehalten. Davon gibt es ein Video auf YouTube. Sultanova steht am Rednerpult, hat die Haare hochgesteckt, wirbt in fließendem Dänisch für eine multiethnische Gesellschaft und erzählt von der Stigmatisierung der Muslime in Dänemark. "Seht die Sache doch nicht so schwarz-weiß", sagt sie den Abgeordneten in freundlichem Ton. Am Ende gibt es freundlichen Applaus zurück. Nur die Mitglieder der Volkspartei, so Sultanova, die seien gar nicht erst gekommen.